Washington. Ein altes Wort hat plötzlich wieder Konjunktur: „Stagflation“. Was ist das eigentlich genau?

Das Kunstwort ist ein recht junger Wirtschaftsbegriff. Geprägt hat es der spätere britische Schatzkanzler Iain Macleod, damals noch Oppositionspolitiker, als er 1965 vor dem Unterhaus sagte: „Jetzt haben wir das Schlechteste aus beiden Welten – nicht nur Inflation, sondern auch Stagnation. Wir haben eine ‚Stagflation‘-Situation.“

Steigende Preise und kaum Wachstum: Das ist die Lage, in der viele Volkswirtschaften auch heute wieder stecken. Sowohl die Weltbank in Washington als auch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris haben deshalb kürzlich vor einer globalen Stagflation gewarnt. Grund für die Misere ist vor allem der russische Angriffskrieg, der Energie stark verteuert und die Lieferketten weiter beschädigt hat.

Einfache Lösungen sind nicht in Sicht

Die schwächelnde Konjunktur mit zusätzlichen staatlichen Investitionen zu päppeln, würde in dieser Situation zwar etwas Erleichterung bringen. Allerdings würden solche Eingriffe auch die Preise – zum Beispiel auf dem Bau – weiter befeuern. Und Geld sozusagen teurer zu machen, was die klassische Medizin der Zentralbanken gegen Inflation ist? Auch diese Kur hätte Nebenwirkungen: Höhere Zinsen würden die lahme Konjunktur ausbremsen. Ein einfacher Ausweg ist für Experten deshalb nicht in Sicht. „Bis zum Ende des Jahrzehnts ist ein stagflationäres Szenario realistisch“, sagt Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft.

Eine hartnäckige Stagflation in vielen Industriestaaten, das gab es schon einmal: in den 1970ern, damals ausgelöst von einem extrem gestiegenen Ölpreis. Anzeichen von damals sehen wir auch heute, zum Beispiel die sehr hohe Teuerungsrate von zuletzt fast 8 Prozent in Deutschland. Und das weltweit geringe Wachstum von nur 2,9 Prozent in diesem Jahr – so die aktuelle Weltbank-Prognose. Immerhin: Stark steigende Arbeitslosenzahlen wie vor 50 Jahren drohen hierzulande derzeit wohl nicht.

Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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