Eschwege. Wenn es um das Aufspulen technischer Garne geht oder auch um die Herstellung von innovativen Werkstoffen aus Carbonfasern, sind die Maschinen der Firma SAHM in Eschwege nicht weit. Denn kein anderer beherrscht das Aufspulen und Abwickeln selbst feinster Fasern, Garne und hauchdünner Folienbändchen so gut wie das Eschweger Unternehmen, das gut 220 Mitarbeiter beschäftigt. aktiv sprach mit Geschäftsführer Jochen Zaun über die Herausforderungen dieser Zeit.

Herr Zaun, wo begegnen wir SAHM?

Unseren Maschinen begegnet man im Alltag in der Regel nie. Aber man begegnet ständig Dingen, die mit ihrer Hilfe hergestellt werden. Sicherheitsstreifen in Banknoten werden zum Beispiel bei der Papierherstellung von unseren Spulen abgewickelt und ins Papier eingebettet. Sicherheitskleidung, zum Beispiel für Feuerwehrleute oder Formel-1-Fahrer, wird aus feuerabweisenden Aramidgarnen hergestellt, die auf unseren Spulen aufgewickelt werden. Es ist kaum überschaubar, wo überall Materialien zum Einsatz kommen, die mithilfe unserer Maschinen produziert werden.

Wie hat das alles angefangen?

Der Ingenieur Georg Sahm hat das Unternehmen im Jahr 1945 als Werkzeugfabrik gegründet. Ein paar Jahre später entwickelte er bereits Spulmaschinen für die Nähgarn-Industrie und prägte damit die Zukunft von SAHM als Technologieführer der Branche. Denn schon damals war es gar nicht so einfach, die richtige Technik zu entwickeln, damit der Faden weder beim Aufspulen noch später beim Abwickeln auf einer Nähmaschine reißt.

Was sind heute Herausforderungen?

Spulmaschinen für Nähgarn werden schon lange in Billiglohnländern hergestellt. Die Herstellung unserer Spulmaschinen ist deutlich anspruchsvoller geworden durch die Fülle an Materialien, für die wir Maschinen entwickeln. Meist geht es um extrem empfindliche Materialien, wie etwa Carbonfasern. Keine Faser darf abreißen, und sie muss ihre besonderen Eigenschaften behalten. Dass wir das beherrschen, ist bekannt. Unsere Exportquote liegt bei über 90 Prozent.

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Was bedeuten die weltweiten Lieferengpässe für Sie?

Die aktuelle Situation kostet auch uns viele Nerven. Im Einkauf rotiert jeder, um Alternativen zu finden, weil wieder etwas nicht lieferbar ist. Wir brauchen Stahl und Aluminium und natürlich auch Chips, da die Maschinen vernetzt werden in einem komplexen Maschinenpark. Die Probleme in der Halbleiter-Industrie treffen uns deshalb sehr. Wir arbeiten mit mindestens zehn Monaten Vorlaufzeit. Das heißt, bei Vertragsabschluss der Maschinen, die wir gerade bauen, war die Welt eine ganz andere. Transportkosten und vieles mehr sind extrem gestiegen. Das konnte niemand einkalkulieren.

Die Digitalisierung Ihrer Maschinen ist demnach längst Standard?

Ja klar. Sie hilft uns, wettbewerbsfähig zu bleiben. Wir gehören zu den teuersten am Markt, also müssen wir technologisch immer besser sein als andere. Industrie 4.0 ist bei uns schon Realität. Unsere Maschinen sind immer Teil eines großen Ganzen. Die Anlagen sind so konzipiert, dass alle Daten erfasst und analysiert werden können. Vorausschauende Wartung gehört heute dazu. Zudem will der Verarbeiter später alles über die Spule wissen, vom Material und Gewicht bis zu besonderen Vorkommnissen bei der Produktion.

„In jedem chinesischen Geldschein steckt ein bisschen SAHM"

Wir helfen auch, die Prozesse beim Kunden zu optimieren. Zum Beispiel mit BoDo, einem mobilen, vollautomatischen Doffing- und Transportsystem. Dieser Roboter bedient unsere automatischen Spulmaschinen. Kein Bediener muss die bis zu 20 Kilogramm schweren Spulen abnehmen. BoDo sorgt dafür, dass die Maschinen mit Hülsen bestückt werden, nimmt die vollen Spulen ab und bringt sie zur Verpackungsstation – völlig selbstständig und rund um die Uhr.

Wo geht die Reise hin?

Auch wir arbeiten bereits an künstlicher Intelligenz. Dabei geht es zum Beispiel um die Optimierung von Abläufen oder auch um die Qualitätssicherung bei unseren Kunden. Wir müssen jeden Tag alles tun, um besser zu sein.

Zur Person

Jochen Zaun

  • 1966 geboren in Dithmarschen in Schleswig-Holstein.
  • Ausbildung zum Maschinenbauer.
  • Maschinenbau-Studium in Hamburg mit Abschluss Diplom-Ingenieur.
  • 1991 Einstieg bei Sonderanlagenbau Nord (SAB) in Elmshorn.
  • 2005 Wechsel zu SAHM in Eschwege als Entwicklungsleiter.
  • Seit 2007 Geschäftsführer von SAHM.
Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

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