Friedrichshafen/Ebersbach/Albstadt. Strukturwandel, Kostendruck, Corona-Rezession: Viele M+E-Unternehmen im Südwesten durchleben stürmische Zeiten. Für Geschäftsführer und Belegschaften ist klar: Wir müssen jetzt etwas ändern, uns wandeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben. aktiv zeigt mit drei Beispielen, wie Unternehmen mit Anpassungsdruck umgehen.

Bei ZF Friedrichshafen etwa hat die Unternehmensführung mit Gesamtbetriebsrat und Gewerkschaft einen „Tarifvertrag Transformation“ ausgetüftelt, um die Krise besser zu überstehen. Dieser Vertrag bietet Arbeitsplatz-Sicherheit bis Ende 2022 für die rund 50.000 ZF-Mitarbeiter in ganz Deutschland. In schwierigen Zeiten: Denn der Umsatz des Technologiekonzerns ist im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 27 Prozent eingebrochen.

Bei ZF leistet die Belegschaft ihren Beitrag, um die Folgen der Krise abzufedern

Auf dem Prüfstand: ZF Friedrichshafen testet neue Komponenten für den Antriebsstrang. Der namhafte Autozulieferer muss Überkapazitäten abbauen und Kosten begrenzen.

Der neue Tarifvertrag ermöglicht dem Unternehmen nun, seine Kapazitäten noch flexibler an die Marktlage anzupassen. Etwa durch Reduzierung der Arbeitszeit um bis zu 20 Prozent. Im Gegensatz zu einer generellen „Vier-Tage-Woche“, wie sie die IG Metall ins Gespräch gebracht hat, ist die ZF-Lösung flexibler und passgenauer. Denn die Arbeitszeit wird nur gesenkt, wo es nötig ist, und nur, solange es nötig ist. Das ist wichtig, denn so können Unternehmensbereiche sofort durchstarten, sobald sich die Auftragslage bessert. Außerdem verzichteten die ZF-Mitarbeiter auf die tarifliche Einmalzahlung von 400 Euro (die sonst im Juli ausgezahlt worden wäre).

Der oberste ZF-Chef Wolf-Henning Scheider kündigt an, was jetzt wichtig ist: „Wir werden weiter die Ausgaben begrenzen, die Personalkapazitäten an das Umsatzniveau anpassen und sehr gezielt investieren.“ Um Überkapazitäten abzubauen, also Stellen sozialverträglich zu streichen, schafft ZF attraktive Möglichkeiten etwa in Sachen Abfindungen oder Altersteilzeit.

Bei Electrostar tüfteln agile Teams an Lösungen

Bei Electrostar, Hersteller von Händetrocknern, setzt Geschäftsführer Roman Gorovoy vor allem in der Krise auf agile Teams.

Die Corona-Krise macht auch kleineren Unternehmen schwer zu schaffen. In Ebersbach an der Fils produziert das Unternehmen Electrostar mit rund 180 Mitarbeitern zum Beispiel Händetrockner, wie man sie aus öffentlichen Toiletten kennt, außerdem Industriesauger und Handkehrmaschinen. Der Umsatz ist im ersten Halbjahr eingebrochen – bei den Handkehrmaschinen etwa um fast ein Fünftel. Was dem Mittelständler hilft, durch die Krise zu kommen: eine „agile“ Unternehmensorganisation.

„Agilität“ bedeutet, dass ein Unternehmen besonders flexibel auf unvorhergesehene Ereignisse und neue Anforderungen reagieren kann (mehr dazu: aktiv-online.de/agil). Bei Electrostar übernehmen möglichst alle, egal ob Werker, Teamleiter oder Manager, mehr Verantwortung, um die speziellen Probleme dieser Krise zu meistern.

Das Unternehmen hat zum Beispiel das Problem, dass die Nachfrage zum Teil stark schwankt. Die neue Lösung: ein abteilungsübergreifendes Team „Liefersicherheit“. Die beteiligten Kollegen prüfen, ob alle Teile rechtzeitig geliefert werden und ob Kapazitäten in der Produktion kurzfristig angepasst werden müssen. Ein weiteres Team, „Mitarbeitergesundheit“, kümmert sich um die Organisation des Arbeitsalltags unter Pandemie-Bedingungen.

Firmenchef Roman Gorovoy stellt fest: „Wir denken und handeln heute deutlich schneller und agiler als vor einigen Jahren.“ Das kann den Mittelständler krisenfester machen – ebenso wie die Fusion mit dem Unternehmen Haaga Kehrsysteme, die beide Firmen im September besiegelten. Sie gehörten bereits zuvor beide zur Algo-Gruppe und arbeiteten eng zusammen. Die Fusion eröffnet eine breitere Produktpalette, mehr Flexibilität – und hoffentlich Wachstum. Mit dem gleichen Ziel schloss Electrostar kürzlich eine strategische Partnerschaft mit dem Reinigungsgeräte-Hersteller Producteers.

Bei Groz-Beckert wird trotz schlechter Konjunktur investiert

Großinvestition in schwierigen Zeiten: Groz Beckert, Hersteller von Nadeln für die Industrie, baut derzeit ein neues Werk in Albstadt.

Auch bei Groz-Beckert in Albstadt schlägt sich die Krise nieder. Bereits 2019 war der Umsatz um 10 Prozent zurückgegangen, im ersten Halbjahr 2020 brach er dann noch mal um mehr als 15 Prozent ein. Doch das Traditionsunternehmen, gegründet 1852, investiert dennoch groß in die Zukunft: Am Stammsitz, wo rund 2.300 Menschen arbeiten, entsteht ein riesiges neues Produktionsgebäude. Damit schafft das Unternehmen die Voraussetzungen, um künftig mit modernsten Methoden produzieren zu können – auf einer Gesamtfläche von mehr als sechs Fußballfeldern.

Hans-Jürgen Haug, Sprecher der Geschäftsführung, erklärt: „Trotz der zahlreichen Herausforderungen, vor denen die Weltwirtschaft und damit auch Groz-Beckert stehen, haben wir uns dazu entschieden, mit dem Bau 2020 zu beginnen.“ Das Projekt sei mehr als eine reine Gebäude-Investition, betont er: „Vielmehr setzen wir ein klares Standortbekenntnis und gestalten damit aktiv die Zukunft des Unternehmens in Albstadt.“

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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