Insolvenz – allein das Wort lässt die allermeisten Menschen zusammenzucken. Traurige Folge: „Bei finanziellen Schwierigkeiten bedienen Schuldner häufig nur den Gläubiger, der gerade am meisten Druck macht“, das zeigt die tägliche Erfahrung aus der Schuldnerberatung bei Franziska Matschke von der Schuldnerhilfe Köln.

Insolvenz-Verfahren: Schuldner müssen drei Jahre durchhalten

Die Expertin sieht darin den ersten schwerwiegenden Fehler, den viele Überschuldete machen. Dadurch zahlt man zwar mal hier und mal da etwas zurück, kommt im Ergebnis aber nie wirklich von den Schulden herunter. Ein geordnetes Insolvenzverfahren dagegen ist in einer solchen Situation oft die bessere Lösung. Denn: Wer sich in dieser Zeit an alle Spielregeln hält, ist neuerdings nach drei Jahren schuldenfrei.

Die Voraussetzungen nach dem Insolvenzrecht

Schulden alleine genügen nicht, um ein Insolvenzverfahren einzuleiten, dazu muss man überschuldet sein. Und das bedeutet: Nach Abzug des Existenzminimums reicht das monatliche Einkommen nicht mehr aus, um die Kreditraten zurückzuzahlen, und es gibt kein verwertbares Vermögen, das man verkaufen kann, um die Schulden zurückzuzahlen, beispielsweise eine Immobilie, Gold, Aktien oder auch Versicherungen. (Der Hauskredit kann nicht mehr bezahlt werden? Infos auf aktiv-online.de)

Zuerst vorgeschrieben: Ein Konzept zur Rückzahlung mit dem Gläubiger vereinbaren

Bevor das Insolvenzverfahren bei Gericht beantragt werden kann, ist ein außergerichtlicher Klärungsversuch vorgeschrieben. Das ist eine Art runder Tisch, bei dem man sich mit allen Gläubigern zusammensetzt und ein Konzept für eine Rückzahlung vereinbart. „Stimmen alle Gläubiger zu, gibt es eine schriftliche Entschuldungsvereinbarung, und damit ist kein Insolvenzverfahren mehr notwendig“, erklärt Matschke.

Das hat den Vorteil, dass die hohen Kosten für das Insolvenzverfahren nicht anfallen und damit mehr Geld für die Gläubiger übrig bleibt. Klingt gut, funktioniert in der Praxis aber oft nicht, einfach, weil nicht genug da ist, um den Gläubigern überhaupt irgendetwas Nennenswertes anbieten zu können.

Scheitert eine Vereinbarung, kann der Schuldner Privatinsolvenz beantragen

Nach dem Scheitern des außergerichtlichen Einigungsverfahrens kann man das Insolvenzverfahren bei Gericht einleiten. Dabei werden zwei Anträge gestellt: Zum einen: Der Insolvenzantrag. Dadurch beginnt das eigentliche Insolvenzverfahren, in dem das vorhandene Geld gerecht an die verschiedenen Gläubiger verteilt wird.

Der zweite Antrag bezieht sich auf die Restschuldbefreiung. Der sorgt dafür, dass die am Ende noch offenen Schulden erlassen werden. „Es handelt sich um zwei getrennte Anträge, die bei Privatinsolvenzen aber in der Regel gemeinsam gestellt werden“, erklärt Matschke.

Wichtige Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens

Damit das Gericht das Verfahren eröffnet, muss man außerdem noch weitere Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehört: keine Restschuldbefreiung in den letzten zehn Jahren (auch keine abgelehnte), keine Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat, keine Falschangaben bei Kreditanträgen oder Sozialleistungen in den letzten drei Jahren, keine Vermögensverschwendung.

Als letztere gelten zum einen Luxusausgaben etwa für einen Sportwagen oder eine Kreuzfahrt kurz vor dem Insolvenzantrag, aber auch die Übertragung des Eigenheims (worauf man noch achten sollte, wenn man für den Nachwuchs Vermögenswerte anlegen möchte) oder von anderen Wertgegenständen an Familienangehörige. Und: Die Verfahrenskosten müssen gedeckt sein. Wenn nicht, können sie auf Antrag gestundet werden.

Das Gericht eröffnet dann das Insolvenzverfahren und bestimmt einen Insolvenzverwalter. Der führt das gesamte Verfahren durch und ist für alle an dem Fall beteiligten Personen der zentrale Ansprechpartner, also sowohl für den Schuldner als auch für alle Gläubiger.

Während der Insolvenz: Verwalter darf Vermögen beschlagnahmen, Einkommen pfänden

„Der Insolvenzverwalter sorgt zum einen dafür, dass eventuelle Vermögenswerte gesichert und verwertet werden“, erklärt Matschke. Er beschlagnahmt also beispielsweise die Münzsammlung oder den Schmuck.

„Der Verschuldete muss alle vorhandenen Vermögenswerte vollständig und wahrheitsgemäß angeben“, sagt die Expertin. Kommt man während eines laufenden Insolvenzverfahrens zufällig an Geld, beispielsweise durch eine Erbschaft (aktiv erklärt, was man über die Erbschaftsteuer wissen sollte) oder einen Lottogewinn, muss man den gesamten Betrag abgeben. Und selbstverständlich wird auch das laufende Einkommen gepfändet.

„Jeder Cent, der oberhalb der gesetzlichen Pfändungsfreigrenze liegt, wird vom Insolvenzverwalter eingezogen“, erklärt Matschke. Ein Single darf derzeit 1.179 Euro behalten, für den Partner und die Kinder gibt es Zuschläge.

Gläubiger müssen ihre Forderungen bei Gericht anmelden

Außerdem stellt der Insolvenzverwalter rechtsverbindlich fest, wie hoch die Schulden denn nun wirklich sind. Dazu müssen sämtliche Gläubiger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Forderungen bei Gericht anmelden. „Wer sich jetzt nicht meldet, bekommt nichts und kann auch später keine Ansprüche mehr geltend machen“, erläutert Beraterin Matschke.

Dabei prüft der Insolvenzverwalter auch, ob die Forderungen überhaupt noch berechtigt sind. Manchmal sind die Schulden nämlich schon längst bezahlt, oder die Forderung ist bereits verjährt.

Es wird ein Verteilungsschlüssel für die Gläubiger errechnet

Anschließend verteilt der Insolvenzverwalter das verfügbare Geld anhand eines Verteilungsschlüssels an die Gläubiger. Dabei geht es prozentual nach dem jeweiligen Anteil an den Schulden. Hat jemand beispielsweise insgesamt 30.000 Euro Schulden und der Versandhändler Müller hat davon 1.500 Euro (5 Prozent) zu bekommen, bekommt er auch 5 Prozent von der zu verteilenden Insolvenzmasse.

Zu guter Letzt gibt es einen „Schlusstermin“, praktisch eine Art Endabrechnung aller Einzahlungen und Auszahlungen in dem Fall. Damit ist das eigentliche Insolvenzverfahren beendet.

Strenge Regeln in der Wohlverhaltensphase

Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens beginnt die Wohlverhaltensphase. Das bedeutet: „Man muss weiterhin den pfändbaren Teil des laufenden Einkommens an den Insolvenzverwalter abgeben“, erläutert Matschke

Unerwartete Einnahmen wie beispielsweise einen Lottogewinn muss man an den Insolvenzverwalter abgeben. Eine eventuelle Erbschaft oder wertvolle Geschenke gehen aber nur zur Hälfte an die Gläubiger.

Außerdem muss man während des gesamten Verfahrens strenge Regeln einhalten. Beispielsweise muss man jede Änderung beim Einkommen, jeden Umzug und jeden Arbeitsplatzwechsel sofort melden.

Natürlich muss man in der gesamten Zeit auch weiterhin arbeiten. Man darf seine Arbeitszeit in dieser Zeit also nicht ohne sachlichen Grund reduzieren, um unter die Pfändungsfreigrenze zu rutschen, oder gar seinen Job kündigen. „Arbeitslose sind verpflichtet, sich um eine zumutbare Arbeit zu bemühen“, so Matschke

Drei Jahre durchgehalten: Das Gericht stellt die Restschuldbefreiung aus

Wer insgesamt drei Jahre durchgehalten und sich brav an alle Regeln gehalten hat, bekommt vom Gericht automatisch die Restschuldbefreiung zugeschickt. „Gerechnet wird vom Datum des Eröffnungsbeschlusses, also dem Beginn des Verfahrens“ erläutert die Expertin.

Mit der Erteilung der Restschuldbefreiung ist es amtlich: Die Schulden sind endlich weg! Meistens jedenfalls. Denn bestimmte Schulden behält man trotz Insolvenzverfahren und Restschuldbefreiung. Hinterzogene Steuern, Bußgelder und andere Strafen oder auch bestimmte Unterhaltsschulden muss man also trotzdem noch bezahlen! Übrigens: Die Restschuldbefreiung ist noch drei Jahre lang bei der Schufa eingetragen. (Hier auf aktiv-online.de gibt es weitere Infos über die Schufa-Eintragungen.)

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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