Wiesbaden. Was lange währt, wird endlich gut? Teils, teils: Rund 33 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung wird zur Jahresmitte Gleichstand bei den Renten in Ost und West erreicht. Damit ist in Sachen Alterssicherung jedoch längst nicht alles in Butter – vor allem aus Sicht der jüngeren Generationen. Doch der Reihe nach.

Eigentlich hätte die endgültige Ost-West-Angleichung erst bis Juli 2024 passieren sollen. So plante es das Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz im Jahr 2017. Warum geht es nun doch etwas schneller? „Die vorzeitige Renten-Angleichung machen vor allem die kräftigen Lohnanstiege im Osten möglich“, erklärt Jochen Pimpertz, Experte fürs Thema im Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Höherer Lohnzuwachs im Osten ließ auch die Renten schneller klettern

Hintergrund: Die Höhe der sommerlichen Rentenanpassung wird maßgeblich anhand der Entwicklung von Löhnen und Beschäftigtenzahlen im jeweiligen Vorjahr ermittelt. Und weil die Verdienste zwischen Rügen und Thüringer Wald schneller stiegen als andernorts im Bundesgebiet, taten dies auch die Renten dort.

„Nach der Wiedervereinigung war Deutschland von einem möglichen Gleichstand noch sehr weit entfernt“, erklärt Pimpertz. Damals erreichte der Rentenwert im Osten nur rund 40 Prozent des Westniveaus. Daher wurden die niedrigeren Verdienste in den neuen Bundesländern hochgewertet: Für den gleichen Lohn (und damit die gleiche Beitragszahlung an die Rentenkasse) bekamen ostdeutsche Beschäftigte mehr für die Rente gutgeschrieben.

Mit der Rentenerhöhung am 1. Juli erreicht der Rentenwert nun bundeseinheitlich 37,60 Euro. Der Rentenwert ist grundlegend für die Ermittlung der persönlichen Rentenhöhe: Er wird multipliziert mit den erworbenen Rentenanwartschaften, gemessen in Entgeltpunkten. Im Westen lagen die durchschnittlichen Renten-Zahlbeträge (nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrags) 2021 für Männer bei 1.212 Euro und für Frauen bei 737 Euro. Im Osten waren es mehr, nämlich 1.292 Euro und 1.082 Euro – wegen der zumeist längeren Beschäftigungszeiten dort, aber auch wegen der erwähnten Hochwertung.

Über 16 Millionen Rentner gibt es derzeit schon im Westen und rund 4 Millionen aus der Ex-DDR. Was für sie alle gemeinsam gilt: Das sogenannte Rentenniveau – Fachleute sprechen vom „Sicherungsniveau vor Steuern“ – liegt nach der Rentenerhöhung bei 48,15 Prozent.

Das Rentenniveau ist noch stabil – aber nicht auf Dauer

Das ist allerdings ein sehr abstrakter Wert, aus dem man für sich persönlich nichts herleiten kann: Es geht um die Altersbezüge eines sogenannten Standardrentners, der 45 Jahre lang durchweg zum Durchschnittslohn gearbeitet hat, im Vergleich zum aktuellen Durchschnittslohn. Bis Juli 2025 darf dieses Rentenniveau nicht unter 48 Prozent fallen. Auch das ist gesetzlich so gewollt. „Derzeit ist das finanziell auch machbar“, urteilt IW-Experte Pimpertz, „weil die Rekordbeschäftigung hierzulande die Rentenkasse munter auffüllt.“

Doch das werde sich ändern, allein schon wegen der Bevölkerungsentwicklung: Heute stehen noch gut drei Erwerbsfähige einem Senior gegenüber, in knapp 40 Jahren werden wohl nur noch zwei Arbeitnehmer für je einen Ruheständler aufkommen müssen.

„Künftige Generationen werden zu stark belastet“, warnt auch Professor Martin Werding von der Ruhr-Uni Bochum, einer der fünf Wirtschaftsweisen. Um wirkungsvoll gegenzusteuern, brauche es einen Reform-Mix. Wichtig sei etwa die Stärkung der privaten Altersvorsorge. Und für Werding wie für Pimpertz steht fest: „Bei der Rente mit 67 wird es auf Dauer nicht bleiben können.“

Dickes Rentenplus

Weil die Beschäftigung in Deutschland auf Rekordstand ist, wird ordentlich in die Rentenkasse eingezahlt. Damit können die Altersbezüge am 1. Juli 2023 spürbar steigen – im Westen um 4,39 Prozent und im Osten um 5,86 Prozent.

In den Jahren davor, von 2010 bis 2022, haben die sogenannten Standardrenten im Westen um mehr als 32 Prozent zugelegt. Im Osten waren es über 47 Prozent. Das hat die Deutsche Renten- versicherung Bund errechnet.

Stephan Hochrebe
aktiv-Redakteur

Nach seiner Redakteursausbildung absolvierte Stephan Hochrebe das BWL-Studium an der Universität zu Köln. Zu aktiv kam er nach Stationen bei der Funke-Mediengruppe im Ruhrgebiet und Rundfunkstationen im Rheinland. Seine Themenschwerpunkte sind Industrie und Standort – und gern auch alles andere, was unser Land am Laufen hält. Davon, wie es aussieht, überzeugt er sich gern vor Ort – nicht zuletzt bei seiner Leidenschaft: dem Wandern.

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