Seit Monaten freut man sich auf die lang geplante und längst gebuchte Reise – und dann passiert es: Das Kind wird krank, und ans Verreisen ist nicht zu denken. Zu dem Frust über den geplatzten Urlaub kommt zusätzlich noch der finanzielle Schaden, denn auf den Stornokosten für die Reise bleibt man ja sitzen.

Diese werden immer höher, je dichter der Abreisetag rückt, und können bis zu 80 Prozent und mehr des Reisepreises betragen. Davor kann jedoch eine Reiserücktrittsversicherung schützen – die einspringt, wenn eine Reise aus unerwartetem Grund nicht angetreten werden kann.

Auf den Abschluss einer solchen Police drängen die Reiseanbieter bei jeder Buchung – online ist sie mit einem Häkchen an der richtigen Stelle erledigt. Doch wann ist eine solche Absicherung überhaupt sinnvoll?

Nicht jeder braucht eine Reiserücktrittsversicherung

Dies lässt sich nicht pauschal beantworten. „Interessant ist eine Reiserücktrittsversicherung bei Reisen, für die vor Antritt eine Vorauszahlung in nennenswerter Höhe geleistet werden muss, etwa bei Pauschalreisen“, sagt Philipp Opfermann, Referent für Versicherungen bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Auch bei Urlauben, die lange Zeit im Voraus geplant werden und relativ teuer sind, zum Beispiel eine exklusive Kreuzfahrt, kann ein solcher Schutz sinnvoll sein. Ebenso bei höherem Krankheitsrisiko, etwa wenn die Kinder oder Großeltern mitkommen sollen.

Bei bescheideneren Ferien hingegen sind die Stornokosten im Falle des Falles eher überschaubar und müssen nicht unbedingt abgesichert werden. Außerdem sollte man in der derzeitigen Pandemie-Situation auf jeden Fall darüber nachdenken, ob diese Art der Versicherung für den nächsten Urlaub nicht lohnenswert ist.

Vor dem Abschluss Angebote vergleichen

Wer sich jedoch zum Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung entschließt, sollte nicht gleich das erste Angebot annehmen, sondern sich Zeit für einen Vergleich nehmen. Denn oft sind die mit der Buchung präsentierten Offerten nicht die besten.

Eine Reiserücktrittsversicherung lässt sich auch noch im Nachhinein unabhängig von der Buchung abschließen. „Dies kann bis 30 Tage vor Reiseantritt geschehen“, erklärt Opfermann. Lediglich bei Last-minute-Reisen muss der Abschluss der Reiserücktrittsversicherung zeitnah zur Buchung erfolgen. Eine gute Police sieht möglichst keine Selbstbeteiligung vor: „Wenn zusätzlich zu den Kosten für die Versicherung ein Selbstbehalt hinzukommt, lohnt sich die Absicherung am Ende kaum noch“, so Opfermann.

Daneben sollten Reisebuchung und Versicherungsbeginn möglichst nah beieinanderliegen, damit auch der Beinbruch, der einige Wochen vor Reiseantritt geschieht, mit abgedeckt ist und der geschützte Zeitraum möglichst groß ist. Zudem unterscheiden sich die einzelnen Angebote wie immer im Kleingedruckten. Die einen leisten zum Beispiel bei Verlust des Arbeitsplatzes, andere nicht. Hier sollte jeder schauen, was zu ihm passt.

Wer oft und weit verreist, ist womöglich mit einem Jahresvertrag für eine Reiserücktrittsversicherung, der alle Urlaube abdeckt, gut bedient. Hier gilt es wieder abzuwägen, ob man sich einem Jahresbeitrag oder einzelnen Policen bessersteht.

„Für Otto Normalurlauber werden Einzelverträge oft ratsamer sein“, so Opfermann. Und Achtung: Die Jahrespolicen verlängern sich jeweils um ein Jahr, wenn sie nicht rechtzeitig gekündigt werden. Bei solchen Policen sollte man besonders jetzt aus aktuellem Anlass prüfen, ob sie auch in einer Pandemiesituation oder mit einer Reisewarnung für das betreffende Urlaubsziel gelten. Ältere Versicherungen, die sich automatisch verlängern, enthalten nämlich oft im Kleingedrucktem eine Pandemie-Ausschlussklausel.

Nur unerwartete Ereignisse sind abgesichert

Grundsätzlich gilt für alle Policen: Die Reiserücktrittsversicherung zahlt nur bei unerwarteten Ereignissen. „Einen Unfall oder den abgebrannten Dachstuhl kann niemand ahnen. Mit der Verschlechterung einer bestehenden Erkrankung ist aber unter Umständen schon zu rechnen“, erläutert Jurist Opfermann.

Bestehen etwa Vorerkrankungen, die den Reiseantritt gefährden können, sollten diese daher unbedingt im Vorfeld mit dem Versicherungsunternehmen besprochen werden – damit dieses sich nicht im Ernstfall von der Leistung befreien kann.

Die Frage, ob es beim Reiserücktritt zu einer Erstattung der Kosten kommt, ist besonders wegen der derzeitigen Corona-Lage heikel. Grund: Nach drei Jahren Pandemie wissen alle, wie schnell sich die Situation etwa durch Reisewarnungen ändern kann. Man kann also nicht mehr automatisch davon ausgehen, dass das Pandemie-Geschehen als unvorhersehbar oder unerwartet eingestuft wird. Das hat weitreichende Konsequenzen: Wer jetzt eine Pauschalreise bucht, kann eventuell nicht mehr so einfach auf das Recht der kostenlosen Stornierung bei unvorhersehbaren Ereignissen pochen.

Versicherung unverzüglich informieren

Kommt es tatsächlich so weit, dass eine gebuchte Reise storniert werden muss, sollte das unverzüglich dem Versicherer mitgeteilt werden. Die Versicherung übernimmt die tatsächlich anfallenden Stornokosten. Opfermann: „Diese müssen durch Belege oder Dokumentationen nachgewiesen werden.“

Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, den Schaden möglichst gering zu halten und unnötige Kostenerhöhung zu vermeiden. Im Schadensfall gilt es also, Reiseanbieter und Versicherer frühestmöglich zu informieren und so zusätzliche Stornokosten zu verhindern.

Oft werden Reiserücktrittsversicherungen zudem in Kombination mit einer Reiseabbruch- und/oder Gepäckversicherung angeboten. Dabei kann man auf Letzteres getrost verzichten, rät Versicherungsexperte Opfermann: „Zum einen zahlt unter Umständen die Hausratversicherung, wenn ins Hotelzimmer eingebrochen und das Gepäck gestohlen wird. Zum anderen sind die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Urlaubers sehr hoch.“

Die Reiseabbruchversicherung kann jedoch sinnvoll sein, weil auch bei einer früheren Abreise vom Urlaubsort noch Stornokosten anfallen können.

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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