Mannheim. Autofahrer spüren sie schmerzlich an der Tankstelle, die Industrie vor allem bei den Prozesskosten: die Preisexplosionen bei Rohstoffen und Energie. Was bedeuten sie für die deutsche Wirtschaft? Wie wird es wohl weitergehen, und was kann die Politk jetzt tun? Darüber sprach aktiv mit Professor Achim Wambach. Er ist Präsident des ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim.

Welchen Anteil haben die Energiepreise an der aktuellen Teuerung? Kann man das in etwa beziffern?

Schon im Februar machten die Energiepreise ein gutes Drittel der Inflation aus. Diese Zahl bezieht sich allerdings nur auf die unmittelbaren Energiepreise, also für Gas, Heizöl oder Benzin. Der tatsächliche Anteil ist aber noch höher, denn diese Kosten schlagen auch auf andere Produkte durch. Und der Krieg in der Ukraine hat die Situation noch verschärft.

Wie schwer trifft das unsere heimische Industrie?

Teure Energie ist ein großer Standort- und Wettbewerbsnachteil. Und in Deutschland waren die Preise schon vor dieser Krise sehr hoch. Die Ablösung vom billigen russischen Gas ist für uns besonders schwierig, weil unsere Industrie stark davon abhängt. Wird Energie noch teurer, besteht durchaus die Gefahr, dass Industrie-Unternehmen aus Deutschland abwandern.

Ist momentan überhaupt eine Prognose möglich, wann sich die Situation wieder entspannen wird?

Kaum, denn im Moment ist alles sehr spekulativ. Es sind zu viele Unsicherheiten im Spiel: etwa wie weit das Russland-Embargo des Westens geht und wie Russland darauf reagiert. Und natürlich, wie sich die Situation in der Ukraine weiterentwickelt. Grundsätzlich aber schließen unsere ZEW-Finanzmarktexperten sogar eine Rezession, also eine Schrumpfung der Wirtschaft, in diesem Jahr nicht aus.

Verschafft uns denn das Entlastungspaket der Regierung nicht genug Luft?

Es hilft auf jeden Fall, die Folgen der abrupten Preisanstiege zu mildern – die ja für alle nur schwer zu verkraften sind. Es ist richtig, die Haushalte zu entlasten, besonders die schwachen. Eine zeitlich begrenzte Senkung der Energiesteuer mag sinnvoll sein, um die Preisausschläge zu glätten. Sollten die hohen Preise aber bleiben, muss man schauen, ob man noch weitere Instrumente benötigt.

Die hohen Energiepreise schmälern die Kaufkraft. Müssen die Löhne nicht entsprechend angepasst werden?

Das ist jetzt natürlich naheliegend. Aber mit Blick auf die Löhne kommt es jetzt vor allem auf Augenmaß an. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die Inflation weiter angeheizt wird.

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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