Stadtlohn/Denkendorf. Bernd-Peter Lautenbach wollte seinen Augen kaum trauen. Vor dem Chef des Textilunternehmens Pongs mit Sitz in Stadtlohn lagen mehrere meterlange auf Rollen aufgezogene Textillagen. „Auf den ersten Blick sahen die genauso aus wie unser Produkt“, so Lautenbach.
Die Münsterländer fertigen in Mühltroff (Sachsen) Textilien für Architekturanwendungen und Printmedien. Selbst ein Zertifikat lag dem vermeintlichen Hightech-Produkt bei. „Das war alles gefälscht“, so Lautenbach. Ein Fall von Produkt-Piraterie.
Besonders betroffen: Innovative industrienahe Textilunternehmen
Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln war in den letzten fünf Jahren jedes zehnte deutsche Unternehmen mindestens einmal Opfer von Produkt- und Markenpiraterie.
Fazit der Forscher: Je innovativer, je größer, je internationaler agierend und je industrienäher tätig, desto größer ist die Gefahr für Unternehmen, Opfer von Fälschungen zu werden.
Eine Beschreibung, die auch auf Unternehmen passt, die technische Textilien wie Airbag-Gewebe, Geotextilien oder Spezialgurte fertigen. Sie gelten dort als Technologieführer und exportieren weltweit knapp die Hälfte ihrer Produkte.
„Man kann davon ausgehen, dass auch solche sicherheitsrelevanten Textilien gefälscht werden“, warnt Christoph Riethmüller vom Institut für Verfahrenstechnik in Denkendorf (DITF) bei Stuttgart. Je mehr an einem Produkt verdient werden könne, umso höher sei die Gefahr, auf Fälschungen zu stoßen, so die Erfahrung des Experten.
Riethmüller hat ein Verfahren entwickelt, mit dem solche Textilien einen fälschungssicheren Fingerprint im Garn erhalten. Letzteres wird über eine Art Färbeverfahren mit strahlungsbeeinflussenden Pigmenten markiert. Durch ein spezielles Spulen der Färbespule entstehen dann Sequenzen im Garn. Nur sie ergeben eine gezielte lichttechnische Antwort, wenn sie mit einem bestimmten Licht bestrahlt werden – und geben die enthaltene Information frei: Produktionsdatum, Artikelnummer oder Maschinenbezeichnung.
Technologie ist einfach in den Produktionsprozess integrierbar
Riethmüller: „Die Vielzahl der Varianten ermöglicht so die Informationstiefe eines Barcodes. Durch diese Vielfalt erhält das Garn eine individuelle Markierung, die kaum nachgemacht werden kann.“ Der Code ist in einer Datenbank hinterlegt, auf die nur autorisierte Teilnehmer der Wertschöpfungskette zugreifen können. „Stimmen beim Auslesen die Daten auf dem Textil nicht mit den Angaben auf dem Lieferschein überein, kann man von einer Fälschung ausgehen“, so Riethmüller. Ähnlich verfährt die Münsteraner Firma Tailorlux.
Mit ihrer Methode lassen sich mit 300 Milliarden verschiedenen Sicherheitspigmenten unendlich viele individuelle Marker erstellen.
Noch scheuen viele Firmen die Investition in die Technologie. DITF-Fachmann Riethmüller beruhigt: „Unser Verfahren kann über ein Anpassungsmodul im Maschinenpark mit geringem Kostenaufwand integriert werden.“
Bis das so weit ist, hilft betroffenen Unternehmen wie Pongs nur Transparenz. Bernd Lautenbauch: „Wir haben die Fälschungen im Internet veröffentlicht, damit unsere Kunden gewarnt sind.“