Berlin. Es war die kniffligste Tarifrunde seit Langem, nicht nur wegen Corona: Erst beim sechsten Verhandlungstermin haben sich Arbeitgeber und Gewerkschaft auf höhere Löhne für die Beschäftigten der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie geeinigt. Die entscheidende Verhandlungsrunde in Berlin dauerte zudem ungewöhnlich lange – und bis in den frühen Sonntagmorgen.

Das Ergebnis: Jetzt, also im Mai 2021, steigen die Löhne um 1,5 Prozent, im Mai 2022 um weitere 2,4 Prozent. Der Tarifvertrag gilt dann noch bis Ende Januar 2023. Zum Vergleich: Als Inflationsrate werden für dieses Jahr im Schnitt der ökonomischen Prognosen rund 2,1 Prozent erwartet.

Arbeitgeberverband spricht von einem „Signal der Hoffnung“

Wobei der Arbeitgeberverband HPV nach eigenen Angaben durchaus an die Belastungsgrenze gegangen ist: Der Abschluss sei „gerade noch vertretbar“, befand HPV-Verhandlungsführer Jürgen Peschel. Man gebe damit auch ein „Signal der Hoffnung“ auf Verbesserung der wirtschaftlichen Lage im kommenden Jahr. „Mit der langen Laufzeit von 24 Monaten gewinnen die Unternehmen Planungssicherheit in einer Zeit, die durch explodierende Rohstoff- und Energiepreise und besondere konjunkturelle Risiken geprägt ist“, betonte Peschel.

Die Gewerkschaft Verdi hatte lange 4,8 Prozent mehr Lohn bei nur zwölf Monaten Laufzeit gefordert. Für Wirbel sorgten Warnstreiks, an denen sich nach Verdi-Angaben insgesamt rund 6.000 der branchenweit etwa 100.000 Beschäftigten beteiligten: Der HPV lehnte wiederholt Verhandlungen ab, solange während der von den beiden Sozialpartnern fest vereinbarten Verhandlungszeit gestreikt wurde.

„Es ging uns nicht um eine Einschränkung des Streikrechts“, stellt Peschel dazu fest, „sondern einfach um ein friedliches Umfeld für die Gespräche.“ Und so ein Umfeld gab es dann schließlich doch noch – wohl auch, weil die entscheidende Verhandlungsrunde an einem Samstagvormittag begann.

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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