Berlin. Raten Sie mal: In und nach der schwersten ökonomischen Krise seit Gründung der Bundesrepublik – wie wird sich da wohl das Rentenniveau entwickeln? Verblüffende Antwort: Es steigt! Dem Standardrentner wird es also im Vergleich zum Durchschnittsverdiener etwas besser gehen. Das rechnet jetzt der neue Rentenversicherungsbericht aus dem Bundesarbeitsministerium vor.

Wobei es ja auch schon die Ansage gab, dass die Rente 2021 in Westdeutschland nicht steigen wird. Es gibt also ausnahmsweise keine Rentenerhöhung, sondern eine Nullrunde – und trotzdem ein höheres Rentenniveau?! Ja: Weil die rund 18,5 Millionen Rentner im Lande von der Politik besser behandelt werden als nötig.

Um das zu verstehen, muss man allerdings drei wichtige Punkte wissen.

Die Rentengarantie gilt weiter, der Nachholfaktor aber nicht – das benachteiligt jüngere Generationen

Erstens: Die gesetzlichen Renten steigen in etwa im Gleichklang mit den Löhnen, allerdings zeitversetzt. Die satte Rentenerhöhung mitten im Corona-Jahr 2020 war der guten wirtschaftlichen Lage 2019 geschuldet. Speist man die miese Lohn- und Beschäftigungsentwicklung des Krisenjahrs 2020 in die gesetzliche Rentenformel ein, zeigt sich: Eigentlich müssten die Renten 2021 sinken.

Munter unterwegs: Die Senioren von heute sind zum Glück oft noch ziemlich fit. Und sie haben im Schnitt relativ viel Geld zur Verfügung.

Zweitens: Vor sinkenden Renten in Euro und Cent sind unsere Senioren gesetzlich geschützt. Eine Schutzklausel, die sogenannte Rentengarantie, sorgt dafür, dass es zwar mal eine Nullrunde geben kann (wie zuletzt 2010), aber eben keine Minusrunde.

Drittens: Wenn die Rente nach einer Krise sinken müsste, dies aber wegen der Rentengarantie nicht passiert, sollen künftige Rentenerhöhungen geringer ausfallen – bis die vermiedene Kürzung ausgeglichen ist. Dafür sorgt eigentlich der sogenannte Nachholfaktor in der Rentenformel. Genau diesen Nachholfaktor hat die Große Koalition aber mit dem Ende 2018 beschlossenen Rentenpaket vorläufig stillgelegt! Das fiel damals gar nicht groß auf, es war ja keine Krise in Sicht …

„Unterbliebene Rentendämpfungen werden nicht verrechnet“ – das ist politisch erwünscht, aber ungerecht

Jetzt aber bedeutet das eben, so erklärt es das Arbeitsministerium: „Unterbliebene Rentendämpfungen werden nicht mit späteren Rentenanpassungen verrechnet.“ Nach der Nullrunde 2021 werden die Renten also schon ab 2022 wieder steigen. Und zwar deutlich stärker, als es nötig und vor allem generationengerecht wäre.

Damit tragen letztlich die Rentenbeitragszahler – also Betriebe und Beschäftigte – sowie die Steuerzahler die finanzielle Last der Krise. Die Senioren sind praktisch nicht betroffen. Dabei könnten die meisten von ihnen problemlos etwas beisteuern, wie der ebenfalls ganz neue Alterssicherungsbericht zeigt.

„Die heutige Rentnergeneration ist überwiegend gut versorgt“

Dieser Bericht der Regierung wird nur alle vier Jahre erstellt und geht detailliert auf die finanzielle Lage der Älteren ein. Fazit 2020: „Die heutige Rentnergeneration ist überwiegend gut versorgt.“

In Zahlen: „Das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen von älteren Ehepaaren liegt bei 2.907 Euro.“

2.907 Euro netto im Monat – so viel hat ein durchschnittliches Senioren-Ehepaar.

Quelle: Alterssicherungsbericht 2020

Alleinstehende Senioren haben laut Bericht im Schnitt 1.816 Euro netto, Seniorinnen 1.607 Euro netto. In diese Berechnung fließen nicht zuletzt auch Betriebsrenten ein.

Außerdem: „70 Prozent aller Ehepaare und 49 Prozent der Alleinstehenden ab 65 wohnen in Wohneigentum.“ Ebenfalls wissenswert: Nur gut 3 Prozent der Rentner nehmen „Grundsicherung im Alter“ in Anspruch, also Sozialhilfe.

Übrigens: In Ostdeutschland werden die Renten trotz der Krise sogar auch 2021 steigen, um etwa 0,7 Prozent. Das liegt an der Angleichung der Ost-Renten bis 2024: Der Rentenwert steigt schrittweise auf West-Niveau, parallel wird die Hochwertung der Ost-Verdienste abgeschafft. Und auch hier haben die Jüngeren das Nachsehen: Die älteren Arbeitnehmer und die Rentner im Osten profitieren besonders von der 2017 beschlossenen Form der Umstellung.

Angleichung der Ost-Renten dauert noch bis 2025

Unterschiedliche Werte: Bei der Rente gelten ungleiche Regeln für West- und Ostdeutschland. Rentenwert und Beitragsbemessungsgrenze sind verschieden, zudem werden die Ost-Entgelte höher gewertet. Damit sollte der Einheitsprozess sozialer gestaltet werden, weil die Ost-Löhne anfangs sehr viel niedriger waren.

Vorteil für Ostdeutsche: Für den gleichen Lohn – und damit die gleiche Beitragszahlung an die gesetzliche Rentenkasse – bekommen ostdeutsche Beschäftigte später mehr Rente als westdeutsche Arbeitnehmer! „Durch die Hochwertung der Verdienste wird der geringere Rentenwert Ost mehr als ausgeglichen“, betont die Deutsche Rentenversicherung Bund. Das gilt noch bis Ende 2024.

Schrittweise Angleichung: 2017 ist das Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz beschlossen worden. Es regelt die schrittweise Erhöhung des Ost-Rentenwerts auf West-Niveau bis Juli 2024 sowie die ebenfalls schrittweise Abschaffung der Hochwertung. Ab Anfang 2025 gelten dann bundesweit die gleichen Regeln. Es bleibt aber bei der Hochwertung der bis Ende 2024 im Osten erzielten Löhne.

Ungleiche Belastung: Rentennahe Arbeitnehmer und Rentner im Osten profitieren von dieser Angleichung – jüngere Ost-Beschäftigte werden schlechtergestellt.