Berlin. Seit 1. Dezember 2020 ist die grundlegende Reform des deutschen Wohnungseigentumsgesetzes in Kraft. Damit hat sich jede Menge für Wohnungseigentümer geändert, einige Punkte betreffen auch Mieter (einen Überblick über die Neuerungen gibt aktiv im Artikel über das reformierte Wohnungseigentumsgesetz).

Nicht zuletzt wird da auch neu geregelt, wer die Kosten von Baumaßnahmen zu tragen hat, die über die normale Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen. Dies hatte bislang sehr häufig zu Streit unter den Eigentümern geführt. Betroffen von den hier erklärten Regeln sind vor allem Eigentumswohnungen, aber auch manche Reihenhäuser mit Gemeinschaftseigentum.

Grundsätzlich gilt: „Jede Maßnahme muss von der Eigentümerversammlung mit einfacher Mehrheit beschlossen werden“, sagt Julia Wagner vom Eigentümerverband Haus & Grund. Dabei muss man allerdings zwei Fälle unterscheiden.

Fall 1: Wenn ein einzelner Eigentümer individuelle Maßnahmen fordert

In diesem Fall fordert nur ein einzelner Eigentümer die Genehmigung für eine ganz bestimmte individuelle Maßnahme. Also beispielsweise: „Ich möchte im Keller einen Fahrradständer montieren und beantrage, dass die Eigentümergemeinschaft dies genehmigt.“ Die Eigentümerversammlung entscheidet dann, ob sie den Fahrradständer erlaubt. „Erhält ein Eigentümer eine Genehmigung für eine solche individuelle Maßnahme, muss er die damit verbundenen Kosten auch selbst tragen“, erklärt Wagner. Umgekehrt hat der betreffende Eigentümer aber das alleinige Nutzungsrecht: Andere Eigentümer dürften ihren Drahtesel also nicht in dem neuen Fahrradständer abstellen. Achtung: Bei den neuen „privilegierten Maßnahmen“ gelten etwas andere Regeln. Worum es dabei geht, erklären wir später in diesem Artikel!

Fall 2: Wenn die Eigentümergemeinschaft einen allgemeinen Beschluss fasst

Häufig wollen aber nicht nur einzelne Eigentümer eine individuelle Maßnahme durchführen. Es geht dann vielmehr darum, dass die Eigentümerversammlung sich mit einem bestimmten Thema befasst und dazu einen Beschluss fasst, beispielsweise: „Die Eigentümergemeinschaft soll entscheiden, ob ein Aufzug in das Gebäude eingebaut werden soll.“ Darüber kann jetzt mit einfacher Mehrheit entschieden werden. Und für die Kosten gilt dann folgender wichtiger Grundsatz: „Wer der Maßnahme zustimmt, muss sie hinterher auch bezahlen“, sagt Wagner.

Beispiel: Einbau eines Aufzugs – und wer ihn nutzen darf

Dazu ein Beispiel, das zugleich den Haken an der Sache verdeutlicht: Eine Immobilie hat zehn Eigentümer, aber nur drei kommen zur Eigentümerversammlung. Trotzdem ist diese Versammlung beschlussfähig und kann mit einfacher Mehrheit entscheiden! Wenn also zwei der drei Anwesenden beschließen, dass ein Aufzug eingebaut werden soll, ist dieser Beschluss wirksam. Allerdings müssten die beiden Eigentümer, die dafür gestimmt haben, die Kosten dann auch alleine tragen – alle anderen zahlen nichts. Im Gegenzug dürfen diese beiden Eigentümer (oder ihre Mieter) auch als einzige mit dem Aufzug fahren, während alle anderen weiterhin Treppen steigen müssen.

Dieses Grundprinzip gilt auch bei Maßnahmen, bei denen man die anderen Eigentümer nicht technisch von der Nutzung ausschließen kann, beispielsweise, wenn das Haus gedämmt wird, der Hausflur gestrichen oder die Eingangstür erneuert. „Auch in solchen Fällen müssen grundsätzlich nur diejenigen bezahlen, die der Maßnahme in der Abstimmung zugestimmt haben“, sagt die Expertin.

Was nötig ist, damit trotzdem alle Eigentümer die Kosten tragen: Die Zwei-Drittel-und 50-Prozent-Regel

Allerdings gibt es eine wichtige Ausnahme. Wenn mehr als zwei Drittel der Teilnehmer der Eigentümerversammlung für die Maßnahme gestimmt haben und ihre Stimmen insgesamt mindestens 50 Prozent der Miteigentumsanteile repräsentieren – dann müssen eben doch alle Eigentümer zahlen. Also auch die, die dagegen waren, sich enthalten haben oder gar nicht an der Versammlung teilgenommen haben. Im Gegenzug aber auch alle ein Nutzungsrecht.

Auch dazu ein Beispiel: Eine Immobilie hat 14 Eigentümer, es gibt insgesamt 14 Miteigentumsanteile. An der Eigentümerversammlung nehmen neun Eigentümer teil. Es stimmen sieben Personen (und damit mehr als zwei Drittel der neun Anwesenden) für den Einbau eines neuen Aufzugs.

Es kommt künftig auch auf die Miteigentumsanteile an

Nun wird geprüft, wie viele Miteigentumsanteile diese sieben Stimmen repräsentieren. Hält beispielsweise jeder Eigentümer genau einen Miteigentumsanteil, repräsentieren die sieben Ja-Stimmen zusammen 50 Prozent der insgesamt 14 Miteigentumsanteile, folglich werden die Kosten auf alle Eigentümer verteilt. Im Gegenzug dürfen hinterher aber auch alle 14 Eigentümer mit dem Fahrstuhl fahren, und nicht nur die sieben, die dafür gestimmt haben.

Besäßen aber die sieben Eigentümer, die mit Ja gestimmt haben, jeder nur einen halben Miteigentumsanteil, hätten sie zusammen nur 3,5 Anteile – und damit weniger als die nötigen 50 Prozent. Obwohl bei der Entscheidung mehr als zwei Drittel der Anwesenden für den Aufzug gestimmt haben, müssten diese sieben Personen den Aufzug dann alleine bezahlen (und dürften ihn dafür auch alleine nutzen).

Gut zu wissen: Auch wenn zwölf der 14 Eigentümer im Beispiel an der Versammlung teilgenommen hätten, müssten die sieben Eigentümer, die mit „Ja“ gestimmt haben den Aufzug selbst bezahlen! Zwar hätten sie mit ihren sieben Ja-Stimmen eine einfache Mehrheit – der Aufzug würde also eingebaut. Weil sieben von zwölf Stimmen aber weniger als zwei Drittel der abgegebenen Stimmen sind, gilt die oben erklärte Kostenverteilung: Wer dafür gestimmt hat, muss den Aufzug bezahlen und darf ihn auch nutzen. Die Miteigentumsanteile spielen in diesem Fall keine Rolle.

E-Mobilität, Barrierefreiheit & Co. – was bei den neuen „privilegierten Maßnahmen“ gilt

„Auch die sogenannten privilegierten Maßnahmen, auf die der Eigentümer jetzt einen Rechtsanspruch hat, müssen vorher von der Eigentümerversammlung beschlossen werden“, erklärt Julia Wagner. „Privilegierte Maßnahmen“, das sind Baumaßnahmen in vier Bereichen: Elektromobilität, Barrierefreiheit, Einbruchschutz und schnelles Internet. Dabei gelten folgende Grundregeln: Soll die Eigentümerversammlung ganz allgemein über privilegierte Maßnahmen entscheiden, beispielsweise über einbruchsichere Fenster oder Ladesäulen auf dem Parkplatz, dann darf sie dies ablehnen wie jede andere vorgeschlagene Maßnahme auch. Möchten aber einzelne Eigentümer unbedingt, dass eine solche privilegierte Maßnahme durchgeführt wird, muss die Eigentümerversammlung ihnen dies genehmigen. Dann müssen diese Eigentümer jedoch alle Kosten selbst bezahlen und haben das alleinige Nutzungsrecht.

Ganz schön kompliziert: Welcher Eigentümer darf die Ladesäule überhaupt nutzen

Beispiel: Ein einzelner Eigentümer will einen Ladepunkt für sein Elektroauto installieren, alle anderen sind dagegen. Weil dies eine privilegierte Maßnahme ist, hat er aber einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass die Eigentümerversammlung ihm den Ladepunkt genehmigt. Er muss die Installation dann selbst bezahlen und darf den Ladepunkt als einziger nutzen. Entscheidet sich die Eigentümerversammlung dagegen ganz allgemein dafür, dass an der Immobilie eine privilegierte Maßnahme durchgeführt werden soll, gelten die üblichen Regelungen für die Kostenverteilung.

Beschließt die Versammlung also beispielsweise mit einfacher Mehrheit ganz allgemein die Installation von Ladepunkten, müssen nur die Eigentümer, die dafür gestimmt haben, auch die damit verbundenen Kosten tragen und dürfen im Gegenzug dann auch ihr E-Auto daran aufladen. Wer dagegen gestimmt hat, muss nichts bezahlen, darf die Ladepunkte aber auch nicht nutzen. Wurde die Installation von Ladepunkten als allgemeine Maßnahme mit mehr als zwei Drittel der Stimmen und mindestens 50 Prozent der Miteigentumsanteile beschlossen, werden die Kosten auf alle Eigentümer verteilt und dann dürfen sie auch von allen genutzt werden. Auch bei den privilegierten Maßnahmen gilt also die oben erklärte Zwei-Drittel-und 50-Prozent-Regel.

Was möglich ist, wenn eine Wohnung den Eigentümer wechselt

Angenommen, ein Wohnungseigentümer war gegen einen neuen Aufzug, hat dagegen gestimmt und hat ihn dann gemäß der obigen Regeln weder bezahlt noch genutzt. Was gilt, wenn die betreffende Wohnung verkauft wird? Dazu erklärt Expertin Wagner: „Eigentümer, die sich nachträglich an einem Einbau beteiligen und ihn auch mit nutzen möchten, können dies gegen angemessenen Ausgleich tun.“ Dies sehe das reformierte Wohnungseigentumsgesetz ausdrücklich vor: „Danach können Eigentümer, die (noch) nicht berechtigt sind, Nutzungen zu ziehen, verlangen, dass ihnen nach billigem Ermessen gegen angemessenen Ausgleich die Nutzung gestattet wird.“ Auch der Aufzug-Gegner persönlich könnte sich also nachträglich doch noch an den Kosten beteiligen – und darf dann den Aufzug nutzen.

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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