Waleri Dwining ist einer von denen, die sich bei Böhm Plast-Technology in Neuenrade mit den Härtefällen auskennen. Der Schichtleiter arbeitet an den Spritzgussmaschinen, an denen Duroplaste verarbeitet werden. Was da rauskommt, ist hart, hitzebeständig, nicht mehr verformbar. So wie die Ringe für die Deckelventile, die am Kochtopf anzeigen, welche Temperatur im Inneren herrscht. Oder die Griffe für Bratpfannen, denen selbst die Flammen des Gasherds nichts anhaben können.

„Duroplaste sind robust, aber auch aufwendig zu verarbeiten“, erklärt Dwining. Das Rohmaterial wird kalt in die Formen gespritzt und dann erhitzt – wie beim Waffelbacken. Das kann auch schon mal einige Minuten dauern, bis das Teil erstarrt aus der Form fällt. Und jedes Teil muss anschließend bearbeitet werden, weil Materialreste an den Kanten stehen bleiben. „Das ist lohnintensiv, auch schmutzig. Duroplaste sind eigentlich uncool“, sagt Geschäftsführer Dennis Böhm. Und doch ist diese Fertigung ein wichtiges Standbein in dem Unternehmen, das dem 28-Jährigen seit einem Jahr gehört.

Geregelte Nachfolge durch echte Insider – früher hieß die Firma Klaes

Gemeinsam mit seinem Vater Detlev hat der Wirtschaftsingenieur die Firma Klaes im September 2019 im Zuge einer geregelten Nachfolge übernommen. Detlev Böhm hat in dem Familienunternehmen vor 34 Jahren seine Ausbildung zum Werkzeugmacher gemacht und war zuletzt Betriebsleiter. Dennis Böhm hat dort oft in den Ferien gejobbt und stieg nach seinem Masterstudium Anfang 2018 als Assistent der Geschäftsführung ein.

Über das Angebot, die Firma zu übernehmen, mussten Vater und Sohn ein halbes Jahr später nicht lange nachdenken, nur die finanziellen Fragen klären. „Wir kannten den Betrieb und hatten richtig Lust, hier etwas zu machen“, sagt Dennis Böhm.

Neuenrader sind seit 70 Jahren auf Kunststoffverarbeitung spezialisiert

Die inzwischen zu Böhm Plast-Technology umgetaufte Firma mit 75 Mitarbeitern ist seit 70 Jahren auf Kunststoffverarbeitung spezialisiert, liefert auch komplette Baugruppen, bedruckt und veredelt. 400 Tonnen Duroplaste werden alljährlich verarbeitet. Dazu noch einmal 300 Tonnen Thermoplaste, insbesondere technische Kunststoffe. Thermoplaste werden vor der Verarbeitung erhitzt und im Werkzeug abgekühlt. Die Teile sind nicht so hitzestabil wie die Duroplaste. Sie sind schneller herzustellen und weiter verbreitet. Anfängliche Überlegungen, diesen Betriebszweig auszubauen, stellte das Vater-Sohn-Gespann dann aber doch hintenan.

„Wir sind der zweitgrößte Duroplast-Verarbeiter in Deutschland“, sagt Dennis Böhm: „Wir haben die Maschinen und das Know-how. Aber wir haben festgestellt, dass uns kaum einer kennt.“ Der Umsatz stützt sich bislang auf eine überschaubare Zahl an Kunden, vor allem aus dem Küchenbereich.

Investitionen in den Maschinenpark sollen die Kosten senken

Für einen namhaften Kochgeschirrhersteller und einen Großküchenausrüster produziert der Hersteller seit Jahren alles rund um den Kochtopf, vom hitzebeständigen Pfannenstiel bis zur Ventilbaugruppe für den Schnellkochtopf sowie Ausstattungsteile für Restaurantküchen. „In Deutschland gibt es aber allein mehr als 40 Pfannenhersteller“, sehen die Böhms da noch Luft nach oben. „Lass uns das versuchen“, haben sie sich gesagt und wollen mit „Böhm Plast Beschlagteile“ eine eigene Marke aufbauen. Eine Prototypenserie ist produziert, eine erste Direkt-Werbeaktion auf den Weg gebracht. Langfristig möchten sie eine eigene kleine Vertriebsabteilung aufbauen, die bislang fehlt.

Zudem sollen Investitionen in den Maschinenpark die Kosten senken. Seit Februar ist ein Roboter in der Montage der Kochtopfventile im Einsatz, separiert Angüsse und flämmt per Infrarot überstehende Häutchen ab – an mehr als 400.000 Teilen im Jahr. Die ersten der insgesamt 34 Spritzgussmaschinen sind durch neue Modelle ersetzt worden. Zwei Entgratezellen sind geplant. „Das ist der einzige Weg, konkurrenzfähig zu bleiben“, so der junge Geschäftsführer.

Corona als Chance: Unternehmen entwickelte Hygienehaken für Einkaufswagen

Mit neuem Namen, Erscheinungsbild und Logo zeigen die Böhms auch nach außen, dass sich etwas tut. Allerdings hatten sie sich ihr erstes Jahr als Unternehmer schon anders vorgestellt. Corona hat da einiges umgeworfen. Entmutigt hat die Pandemie sie nicht, auch wenn die eine oder andere Investition aufgeschoben wurde und zwischenzeitlich Kurzarbeit angesagt war. Im Gegenteil.

Im Frühjahr erregte das Unternehmen mit einem kurzfristig entwickelten Hygienehaken für den Einsatz am Einkaufswagen oder beim Betätigen von Schaltern Aufmerksamkeit. „Wir haben Spaß dran, was Neues zu entwickeln. Auch kleine Produkte“, erklärt Dennis Böhm. Der Mann fürs Praktische ist dabei sein Vater. So wollte der, ein passionierter Angler mit Boot auf der Sorpe, sich beim Schleppangeln nicht länger über schlecht funktionierende Sideplaner ärgern, mit denen der Köder in sicherer Entfernung zum Boot ins Wasser gebracht werden kann.

Mit neuen Produkten groß rauskommen – auch dank Social Media

Also entwickelte er selbst einen - „einen richtig guten“, wie Sohn Dennis betont. Das Produkt, das erste der neuen Marke „Anglerland“, ging an einige Anglerkollegen zum Testen raus, über Social Media verbreiteten sich anschließend blitzschnell die positiven Bewertungen. Mittlerweile wurde schon im irischen und litauischen Fernsehen berichtet. Am „Uns kennt kaum einer“ wird in Neuenrade auf allen Kanälen gearbeitet.

Begegnung mit: Harry Frank fand die Industrie früher öde – so kann man sich täuschen!

Hat den Durchblick: Bei Harry Frank laufen alle Fäden aus Betrieb und Produktion zusammen.

Nie im Leben Industrie! Da war sich Harry Frank sicher. Die Ferienjobs da fand er etwas öde. Dass er mal einen Betrieb führen würde, hätte er nicht gedacht, als er 2013 seinen Meister machte. Der Elektroinstallateur wollte vor allem sein technisches Verständnis erweitern. Die Leitung der Prozess- und Betriebstechnik hat er nicht angestrebt. Das überraschende Angebot Anfang des Jahres hat er aber dann doch angenommen. „Gut, ich probier das“, dachte er sich..

Trotz wenig Freizeit: Ein Hobby lässt sich der Betriebsleiter nicht nehmen

Der 38-Jährige kommt aus dem Handwerk und wechselte 2008 als Elektroniker für Betriebstechnik in die Industrie. Seinen Meister machte er an der Abendschule der Handwerkskammer, fast vier Jahre lang neben dem Job. „Das war schon hart“, erinnert sich der Vater von zwei Kindern. Zum Böhm-Vorgänger kam er 2019 „als Mädchen für alles“, aber mit Per­spektive: Er baute die Instandhaltung auf.

Jetzt also die Betriebsleitung: weniger Praxis, mehr Verantwortung, mehr Aufgaben von der Produktionsplanung bis zur Kundenkommunikation. Das Kaufmännische aus der Meisterschule hilft. „Und man lernt immer dazu“, sagt er. In der Firma stecke viel Potenzial, das reizt ihn, auch wenn die Freizeit knapp ist. Eins lässt er sich aber nicht nehmen: Einmal im Jahr geht es für eine Woche nach Schweden, zum Angeln.

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Durch Schulpraktika beim Elektroinstallateur. Man muss sein Gehirn anstrengen und kreativ sein. Es ist vielseitig. Das hat mir gefallen.

Was reizt Sie am meisten?

Die Herausforderungen aktuell. Man bewirkt große Dinge an dieser Stelle, die deutlich sichtbar und spürbar sind..

Worauf kommt es an?

Zuverlässigkeit, Flexibilität, schnelle Reaktionen. Kommunikation ist sehr, sehr wichtig. Und man muss zuhören können.

Hildegard Goor-Schotten
Autorin

Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie außerdem bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten

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