Remscheid. „Schaut, da unten im Feld, am Waldrand, da liegen drei Kitze im hohen Gras.“ Morgens um sieben ist für Ulrich Brücher die Welt in Ordnung. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat der Drohnenpilot soeben drei Rehjungen das Leben gerettet. Quasi in letzter Minute. Denn noch an diesem Morgen will der Bauer die Weide mähen. Und die Landmaschine bringt den sicheren Tod.

Vater weckte in ihm die Leidenschaft für Technik

Hauptberuflich ist Brücher Entwickler beim Remscheider Bohrmaschinenhersteller Flott: „Ich muss sehr akkurat beim Programmieren und bei der Fehlersuche in der Software sein.“ Die Produkte von Weltruf, im Familienunternehmen gefertigt von 35 Beschäftigten, arbeiten mit bis zu 70 Millimeter starken Bohrern, sind also alles andere als Dünnbrettbohrer. „Und bin ich an einem Thema dran, lasse ich nicht locker.“

Seit Kindesbeinen ist er Modellflieger. Sein Vater weckte in ihm die Leidenschaft für Technik. Und als sich Brücher vor einigen Jahren dem Drohnenflug zuwandte, war ihm schnell klar, dass er dem Hobby etwas Sinnvolles hinzufügen wollte: „Auf der Suche nach einem geeigneten Fluggelände fand ich Gut Hixholz. Zunächst habe ich für den Bauern Luftaufnahmen und kleine Filme von seinem Hof gemacht. Irgendwann fragte er mich, ob ich vor dem Mähen das Feld abfliegen könne, um nach neugeborenen Tieren Ausschau zu halten.“

Im Frühjahr schon um vier Uhr mit der Drohne auf dem Acker

Die Idee mit dem fliegenden Auge, das Tiere vor dem Tod retten kann, sprach sich schnell in der Ortsbauernschaft und bei der Jagdgenossenschaft herum. So ist der Bambi-Retter im April und Mai jeden Morgen schon vor vier Uhr auf den Beinen, um in drei Stunden zehn und mehr Felder mit der Wärmebildkamera unter seinem Fluggerät auszuspähen. In dieser Saison hat er schon mehr als 130 Tiere gerettet. Brücher wird ernst: „Ich habe immer das Gefühl, ich tue, was ich kann – und es ist trotzdem nie genug.“

Denn pro Jahr sterben nach Schätzungen 100.000 neugeborene Rehe in Deutschland den Mäher-Tod. Inzwischen hat Brücher seine Fliegerei als Gewerbe angemeldet. Ein Großteil der Einnahmen fließt in seine Ausrüstung, die 7.000 Euro wert ist.

Arbeitgeber Flott gibt Freiraum für Rettungsaktivitäten

Sie hat einen entscheidenden Vorteil: Das Fluggerät schaut senkrecht von oben ins Gras – die einzige Möglichkeit, Kitze, Hasen oder Gelege von Bodenbrütern zu entdecken. Brücher: „Der Bauer hat keine Chance, sie beim Mähen zu sehen.“ Die jungen Rehe laufen nicht weg, stattdessen ducken sie sich noch tiefer ins Gras, wenn sie eine Maschine hören, und haben so keine Überlebenschance. Über die Tiere, die Brücher rechtzeitig ortet, stülpt er einen orangen Korb als Signal für den Bauer.

Keine dicken Bretter musste Ulrich Brücher bohren, als er vor zwei Jahren im Vorstellungsgespräch bei Flott von seinen Rettungsaktivitäten berichtete: „Ich habe vom Chef sofort das Okay bekommen, dieser Aufgabe weiterhin nachzugehen. Ich bin froh, in einem so flexiblen und menschenfreundlichen Unternehmen zu arbeiten.“ Und große Tierfreunde sind sie bei Flott offensichtlich auch…

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Von Kind an hat mich mein Vater an Technik herangeführt. Wir haben Modelle gebaut für die Luft, fürs Wasser und fürs Land.

Was reizt Sie am meisten?

Immer wieder die Herausforderung, den nächsten Schritt zu gehen – und bei aller Detailarbeit den Überblick zu behalten.

Worauf kommt es an?

Als Entwickler muss ich zum Beispiel bei der Fehlersuche in der Software sehr akkurat arbeiten. Und man braucht Ausdauer, Dinge perfekt zu programmieren.