Berlin. Ob Oberhemden, T-Shirts, Hosen oder Tischdecken – für die meisten Bekleidungs- und Heimtextilien gilt: Sie kommen von weit her! Allein die deutschen Modeunternehmen importierten 2019 laut Statistischem Bundesamt Bekleidung im Wert von mehr als 34 Milliarden Euro – von Lieferanten insbesondere aus China, Bangladesch und der Türkei.

Damit wäre die Branche besonders hart betroffen von dem Lieferkettengesetz, das die Regierung plant. Nach jetzigem Stand würde es deutsche Unternehmen verpflichten, darauf zu achten, dass auch ihre ausländischen Geschäftspartner sich an soziale Mindeststandards und Umweltregeln im jeweiligen Herstellungsland halten. Falls sie das nicht tun, soll der deutsche Partner dafür haften. 

Dieses politische Vorhaben wird von der Industrie scharf kritisiert. „Uns jetzt entlang globaler Lieferketten in die Haftung für Dritte zu nehmen, bedeutet eine extreme Wettbewerbsverzerrung zum erheblichen Nachteil des deutschen Mittelstands“, ärgert sich Uwe Mazura, der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands textil + mode. „Stellen Sie sich vor, Sie produzieren in Deutschland Hemden oder Kopfkissen. Damit wären Sie in der Haftung nicht nur für die Knöpfe, die sie vielleicht aus Taiwan beziehen, sondern auch für den Transport ihrer Biobaumwolle in die indische Spinnerei.“ 

Viele deutsche Unternehmen achten schon längst darauf, wie ihre Zulieferer sich verhalten 

Das geplante Gesetz würde letztlich alle Unternehmen unter Generalverdacht stellen, Lieferanten wie einheimische Firmen. Und auf deutsche Unternehmen, die im Ausland produzieren lassen, käme ein immenser Arbeitsaufwand zu. Beispiel Herrenoberhemd: Es durchläuft laut Mazura etwa 140 Produktionsschritte vom Baumwollfeld bis zum Bügel! Und dafür soll am Ende ein Unternehmen die Haftung entlang der gesamten Lieferkette tragen?! 

Der Branchenverband befürchtet, dass Konkurrenten aus anderen Ländern einen noch größeren Vorteil gegenüber deutschen Betrieben erhalten würden – von denen die meisten schon hohe Standards einhalten. Tatsächlich kontrollieren viele deutsche Unternehmen ihre Partner in der Lieferkette. Der Hosenspezialist Brax aus Herford etwa schaut sich die Herstellungsbedingungen seiner weltweit rund 80 Geschäftspartner regelmäßig vor Ort die an. 

Auf Transparenz statt überzogene Haftung setzt auch das Textilbündnis. Seine Mitglieder wollen die sozialen und ökologischen Bedingungen in der Textilproduktion verbessern. Dabei hilft eine Datenbank, die Informationen über Zulieferbetriebe in aller Welt sammelt.

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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