Wer eine kapitalbildende Lebensversicherung abschließt, will zwei Dinge zugleich erreichen: Zum einen die Familie für den Fall des vorzeitigen Todes absichern, zum anderen fürs eigene Alter vorsorgen. Viele haben so einen Vertrag in der Akte – und doch weiß kaum jemand genau, wie diese Police eigentlich funktioniert. aktiv hat sich das von Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten gründlich erklären lassen.

Die kapitalbildende Lebensversicherung: Sie enthält zwei Bausteine

Grundsätzlich besteht eine kapitalbildende Lebensversicherung aus zwei verschiedenen Elementen. Zum einen enthält sie eine Risikolebensversicherung. „Dadurch erhalten die Hinterbliebenen die vereinbarte Summe, falls man stirbt, bevor man die vereinbarte Altersgrenze erreicht hat“, erklärt Experte Kleinlein. Zum anderen enthält die Police einen Sparvertrag: „Dadurch bekommt man am Ende der Laufzeit das Guthaben auf dem Versicherungskonto ausgezahlt.“

Entweder gibt es dann die gesamte Summe auf einmal – oder aber eine lebenslange Rente. Das klingt alles ganz gut, hat aber einen großen Haken: Ein solcher Vertrag kostet sehr viel Geld. Das hat seine Gründe.

Der Garantiezins: So viel verspricht der Versicherer 

Normalerweise zahlt man bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung jeden Monat einen bestimmten Betrag ein, beispielsweise 100 Euro. In vielen Verträgen ist ein sogenannter Garantiezins vereinbart. Ganz wichtig: Dieser beim Abschluss vereinbarte Garantiezins gilt für die gesamte Laufzeit des Vertrags! „Heute beträgt der Garantiezins nur noch höchstens 0,9 Prozent. Bei älteren Verträgen ist er viel höher und liegt teilweise bei 4 Prozent“, so Kleinlein.

Die meisten Kunden glauben, dass die Versicherungsgesellschaft einfach die gesamte Monatsrate mit dem Garantiezins verzinst, sodass am Ende auf jeden Fall mehr Geld herauskommt, als man eingezahlt hat. Doch das stimmt nicht, denn die Versicherungsgesellschaft zieht zuerst die Kosten ab und legt nur den Rest für die Kunden an. 

Die Kosten der Verträge

Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten ist selbst ausgebildeter Versicherungsmathematiker und weiß genau, wie die Unternehmen kalkulieren. Er rechnet vor: Auf 100 Euro Monatsbeitrag des Kunden entfallen beispielsweise etwa 10 bis 15 Euro Prämie für die Risiko-Lebensversicherung, 10 bis 11 Euro Verwaltungskosten, 4 bis 5 Euro Abschlusskosten und 3 bis 4 Euro für anderweitige Risikoabsicherung. „Bei vielen kapitalbildenden Lebensversicherungen bleiben also von 100 Euro Beitrag nach Abzug aller Kosten nur etwa 70 Euro übrig“, sagt Kleinlein.

Wie teuer die einzelnen Positionen im Einzelnen tatsächlich sind, das ist natürlich bei jedem Versicherungsunternehmen unterschiedlich. „Der Kunde hat keinen Anspruch darauf, dass der Versicherer die Kosten individuell aufschlüsselt“, so der Experte. Man weiß also nie, wie teuer der eigene Vertrag tatsächlich ist, sondern muss darauf vertrauen, dass die Versicherung die Kosten halbwegs im Rahmen hält. 

Gespart wird nur, was nach Abzug der Kosten übrig bleibt

Eines ist jedoch bei allen Unternehmen gleich: Nur das, was nach Abzug der Kosten übrig bleibt, wird für den Kunden tatsächlich angelegt. Das war übrigens schon immer so. „Früher waren die Kosten sogar tendenziell noch höher als heute“, sagt Kleinlein.

Aufgrund der gesetzlichen Vorgaben müssen die Versicherungen das Vermögen der Kunden größtenteils in sicheren Geldanlagen wie beispielsweise bestimmten Staatsanleihen anlegen, um die garantierten Auszahlungen auch wirklich zu erwirtschaften. Früher funktionierte das, inzwischen ist das aber durch die seit Jahren extrem niedrigen Zinsen ein riesiges Problem geworden. Lesen Sie auch auf aktiv-online.de, warum diese Niedrigzinsphase noch lange anhält.  

Die niedrigen Zinsen: Ein Rechenbeispiel

Wir unterstellen, dass die Versicherung von 100 Euro Monatsbeitrag „nur“ 25 Euro Kosten abzieht und 75 Euro für den Kunden angelegt werden. Die Laufzeit des Vertrags beträgt 25 Jahre.

Bei einem Garantiezins von 4 Prozent erhält der Kunde im ersten Jahr 4 Prozent auf 75 Euro = 3 Euro Zinsen gutgeschrieben. Im nächsten Jahr stehen auf dem Konto dann 78 Euro, für die es wieder 4 Prozent Zinsen gibt. Im Lauf des 8. Jahres sind die Kosten von 25 Euro wieder hereingeholt und es stehen wieder die ursprünglich eingezahlten 100 Euro auf dem Konto. Danach läuft der Vertrag ins Plus, sodass der Kunde am Ende der 25 Jahre knapp 200 Euro auf seinem Konto stehen hat.

Bei einem Garantiezins von 1 Prozent sieht die Situation aber ganz anders aus. Dann gibt es nur 1 Prozent auf 75 Euro = 0,75 Euro Zinsen, im 2. Jahr gibt es dann 0,76 Euro Zinsen, und so geht es weiter. Nach 25 Jahren stehen gut 96 Euro auf dem Konto, also fast 4 Euro weniger, als der Kunde eingezahlt hat. 

Viele glauben, dass am Ende aber trotzdem mehr herauskommt als der mickrige Garantiezins. Sie denken nämlich, dass es sich bei dem Garantiezins um eine Mindestverzinsung handelt, die auch mal höher ausfallen kann. „Das stimmt jedoch nicht, denn der Garantiezins ist eine vom Gesetzgeber vorgeschriebene Maximalverzinsung“, erklärt Kleinlein.

Garantien sinken: Neue Modelle der Lebensversicherer

Höhere Zinsen kann und darf die Versicherung ihren Kunden also nicht garantieren, niedrigere Zinsen dagegen schon. Und genau das geschieht derzeit. Manche kapitalbildenden Lebensversicherungen bieten ihren Kunden immerhin noch den Beitragserhalt an. Das bedeutet, dass man am Ende der Laufzeit die eingezahlten 100 Euro sicher wieder ausgezahlt bekommt, aber nichts darüber hinaus garantiert wird. „Dieser Beitragserhalt ist beispielsweise bei Riester-Verträgen und der betrieblichen Altersvorsorge gesetzlich vorgeschrieben“, erklärt Kleinlein.

Seit jüngster Zeit gibt es einige Angebote, bei denen nicht mal mehr die eingezahlten Beiträge garantiert werden, sondern lediglich 90 Prozent, 80 Prozent oder sogar nur 60 Prozent. Das bedeutet: Von den 100 Euro, die man eingezahlt hat, bekommt man am Ende nur 90 Euro, 80 Euro oder gar nur 60 Euro garantiert wieder heraus. Was man über die neuen Policen wissen sollte, lesen Sie auf aktiv-online.de im Artikel über Lebensversicherung ohne Beitragsgarantie.

Trotzdem versprechen die Versicherer, dass sich diese Lebensversicherung am Ende für den Kunden lohnen soll. Die Unternehmen wollen das Geld der Kunden nämlich chancenreicher, aber damit eben auch riskanter anlegen. Da man bei riskanteren Anlagen auch mal Geld verlieren kann, können und dürfen die Unternehmen die entsprechenden Auszahlungen aber nicht garantieren. Vielmehr stellen die Versicherungen ihren Kunden höhere Überschussbeteiligungen in Aussicht. 

Überschussbeteiligungen: Anteil am Gewinn der Lebensversicherer 

Bei jeder kapitalbildenden Lebensversicherung ist die garantierte Auszahlung nur ein Teil des Gesamtbetrages, den der Kunde am Ende der Laufzeit erhält. Zusätzlich erhält er sogenannte Überschussbeteiligungen. Die entstehen, wenn ein Versicherungsunternehmen an der Börse hohe Gewinne macht oder aus anderen Gründen besonders viel verdient hat. Dieses Geld darf die Versicherung nämlich nicht behalten, sondern muss den größten Teil davon an ihre Kunden ausschütten. „Die Überschussbeteiligung wird dem Vertrag jedes Jahr gutgeschrieben und kann danach nicht mehr gestrichen werden“, sagt Kleinlein. Außerdem kann es ganz am Ende der Laufzeit noch eine sogenannte Schlussbeteiligung geben.

Da natürlich niemand weiß, wie die Versicherungsgesellschaft in 5, 10 oder gar 20 Jahren dasteht oder wie die Börsen sich entwickeln, können und dürfen die Versicherungen die Überschussbeteiligungen aber nicht garantieren.

„Die Überschussbeteiligungen können also höher oder niedriger ausfallen, als es dem Kunden beim Abschluss des Vertrags prognostiziert wurde“, erklärt Kleinlein. Wenn sich die Versicherung an der Börse verspekuliert hat oder aus anderen Gründen ein Minus macht, darf sie die Überschussbeteiligung sogar komplett streichen. Auf die garantierten Auszahlungen dagegen hat der Kunde einen Anspruch.

Fazit: Bei alten Verträgen hat der Kunde aufgrund des hohen Garantiezinses auch ohne jede Überschussbeteiligung am Ende mehr herausbekommen, als er eingezahlt hat. Bei den neuen Verträgen mit niedrigen Zinsen dagegen macht der Kunde meist nur dann ein Plus, wenn das Unternehmen auch tatsächlich ausreichend hohe Überschussbeteiligungen erwirtschaftet. Vor der Unterschrift sollte man sich glasklar vor Augen führen, dass jeder Euro über die Garantie hinaus nur eine unverbindliche Prognose ist, bei der niemand weiß, ob das Geld tatsächlich ausgezahlt werden wird.

Kapitalbildende Lebensversicherungen: Ein Ausstieg wird teuer

Außerdem sollte man Folgendes bedenken: Kapitalbildende Lebensversicherungen laufen in der Regel über viele Jahre, oft Jahrzehnte. Wenn überhaupt, geht die Rechnung nur auf, wenn man die Einzahlungen tatsächlich bis zum Ende durchhält. „Rund zwei Drittel aller Verträge werden vorzeitig gekündigt“, weiß Axel Kleinlein. Dieser vorzeitige Ausstieg wird richtig teuer, denn dann bekommt man nur den sogenannten Rückkaufswert ausgezahlt. Und dabei verliert man fast immer sehr viel Geld, denn der Rückkaufswert ist meist viel, viel niedriger als der Betrag, den man im Lauf der Jahre tatsächlich bereits eingezahlt hat.

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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