Obernburg. Anabella Krieger ist Verfahrensingenieurin. Seit einem Monat arbeitet die 33-jährige Argentinierin beim Industriedienstleister Mainsite Technologies im bayerischen Obernburg. Der Job macht Spaß, ihr Deutsch ist perfekt, nur das Wetter könnte besser sein: „In Buenos Aires ist der Himmel öfter blau“, sagt sie. Akzeptanzprobleme wegen ihrer Herkunft hat sie nicht. Personalleiterin Barbara Strasser nickt: „Bei uns arbeiten viele Kollegen aus anderen Nationen, das ist ganz normal.“
Strasser befürwortet gemischte Teams: „Frauen, Männer, Alt und Jung, unterschiedliche Charaktere und Herkunftsländer, das ist ein Gewinn!“, findet sie. Diese Vielfalt, auch „Diversity“ genannt, schätzen andere Unternehmen ebenfalls.
Stärken und Können richtig zusammenstellen
Arbeit gilt als Motor für Integration. Um diesen Aspekt geht es derzeit auch häufig in der öffentlichen Flüchtlingsdebatte.
2014 betrug die Quote der Erwerbstätigen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland 9,4 Prozent, EU-weit ist sie mit 7,1 Prozent etwas niedriger, so das Statistische Bundesamt. Im Industrie Center Obernburg liegt der Anteil bei rund 18 Prozent. Strasser: „Das funktioniert prima.“
Die Meinung teilt Mehmet Poyraz, Leiter Instandhaltung bei Mainsite und Chef von 60 Mitarbeitern. Seine Eltern kamen 1973 als Gastarbeiter aus der Türkei, fassten jedoch nie richtig Fuß. „Für mich ist Deutschland hingegen die Heimat“, sagt Poyraz. Nach Feierabend wird er oft angesprochen, wie man hier Karriere macht. Dann sagt er: „Deutsch lernen und jede Chance ergreifen.“
Anabella Krieger, die vor drei Jahren nach Deutschland kam, nickt: „Stimmt. Und man sollte sich nicht nur mit Landsleuten umgeben, dann klappt es besser mit der Integration.“ Personalleiterin Strasser sieht die Sprache ebenfalls als Schlüssel zum Erfolg: „Die Arbeitsplätze sind anspruchsvoll geworden. Wer in die Chemie-Branche will, muss Deutsch können.“
Die Vorteile interkultureller Teams nutzen viele Konzerne, etwa Evonik. Vorstandschef Klaus Engel vergleicht das gern mit Fußball. Das Essener Spezialchemie-Unternehmen sponsert den Bundesligaverein Borussia Dortmund: Dort kicken Leistungsträger aus Gabun, Armenien, Polen, Deutschland. „Vielfalt bereichert. Was uns die Jungs auf dem Platz vorleben, ist die richtige Zusammenstellung von Stärken und Können“, sagt Engel. Sie sei die „treibende Kraft für Kreativität, Innovation und Wachstum“.
Gelebt wird das zum Beispiel auch bei Polycasa in Mainz. Fast die Hälfte der 125-köpfigen Belegschaft des Kunststoffplatten-Spezialisten hat ausländische Wurzeln. Was viel ist: Im Schnitt arbeiten in zwei Dritteln der Chemie-Betriebe 5 bis 10 Prozent Ausländer. Ein Sechstel beschäftigt zwischen 20 und 40 Prozent, ein weiteres Sechstel mehr als 50 Prozent Kollegen anderer Nationen, so eine Umfrage der Chemie-Stiftung Sozialpartner-Akademie.
Das Schweizer Gesundheitsunternehmen Roche, das an seinen deutschen Standorten Kollegen aus 70 Nationen beschäftigt, möchte jetzt gezielt Führungskräfte aus Asien und Amerika einbinden. Nivea-Hersteller Beiersdorf in Hamburg ist das bereits gelungen: Arbeitsdirektor und Personalvorstand ist Zhengrong Liu, ein gebürtiger Chinese.