Berlin. Das Tempo ist atemberaubend. Im Dezember 2019 erkrankten erste Menschen an Corona – inzwischen gibt es weltweit schon 195 Entwicklungsprojekte für Impfstoffe gegen das neue Virus. Und neun davon sind bereits in der dritten, entscheidenden Phase der Erprobung mit Freiwilligen, darunter ein Präparat des Mainzer Unternehmens Biontech.
„Noch nie in der Geschichte ging die Impfstoffentwicklung so schnell! Und noch nie gab es so viele Projekte für eine einzelne Krankheit“, erklärt Rolf Hömke vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller. Dank neuer Technologien dauere die Entwicklung statt früher 15 Jahre nur noch Monate. „Wir sehen sehr gute Chancen, dass 2021 die ersten Menschen gegen Corona geimpft werden können“, unterstreicht Hömke.
Biontech kauft von Schweizer Pharmakonzern ein Werk für die Produktion des Impfstoffs
Biontech plant bereits die Produktion. Die Mainzer kaufen dafür vom Pharmakonzern Novartis ein Werk in Marburg und wollen dort im ersten Halbjahr 2021 bereits 250 Millionen Impfstoff-Dosen herstellen können. Im Endausbau sollen bis zu 750 Millionen Dosen pro Jahr das Werk verlassen. Zudem wird man in Mainz, Idar-Oberstein sowie mehreren Werken vom Partner Pfizer produzieren. Die amtliche Zulassung will Biontech im Herbst beantragen.
Trotz aller Eile: Eine gründliche Erprobung neuer Impfstoffe braucht einfach ihre Zeit, sagt Experte Hömke. Schon nach wenigen Tests ein Präparat zuzulassen, wie kürzlich in Russland geschehen, sei sehr riskant. Schließlich werden dann Millionen Menschen geimpft: „Ein nicht gründlich genug geprüfter Impfstoff kann sich zum Beispiel als zu schwach erweisen. Oder eben doch problematische Nebenwirkungen haben – mit fatalen Folgen.“
Professor Klaus Cichutek, Präsident der deutschen Zulassungsbehörde Paul-Ehrlich-Institut, betont daher: „Auch in der aktuellen Pandemiesituation ist es zwingend erforderlich, dass alle Prüfungen und Bewertungen mit der gleichen Sorgfalt erfolgen wie sonst auch.“
Dazu muss man wissen, dass die klinischen Tests aufeinander aufbauen. In der ersten Phase checken die Forscher bei 10 bis 30 Probanden, ob der Impfstoff grundsätzlich verträglich ist. In Phase zwei untersuchen sie bei 50 bis 500 Personen, wie deren Immunsystem reagiert, wie man das Mittel am besten dosiert und ob man ein- oder besser zweimal spritzen muss. In der dritten Phase kommt der eigentliche Härtetest.
„Dann erst zeigt sich, ob ein Impfstoff zweifelsfrei schützt. Dazu impft man mehrere Tausend Freiwillige, die sich in ihrem Umfeld mit dem Virus infizieren können“, erklärt Hömke. In Sachen Corona wird daher bevorzugt in Brasilien, Argentinien und den USA getestet. Etwa die Hälfte der Personen erhält ein Placebo (also eine Impfung ohne Wirkstoff). Monatelang beobachten die Mediziner nun: Wie viele Menschen werden noch krank? Und vor allem: Gibt es dabei einen klaren Unterschied zwischen den mit dem Placebo und den echt mit dem neuen Stoff Geimpften?
Die Entwicklung eines Impfstoffs kostet Hunderte Millionen Euro
In dieser letzten, dritten Testphase sind neben dem Impfstoff von Biontech vier chinesische Präparate, ein russisches Mittel sowie je eines der britischen Astrazeneca sowie der US-Unternehmen Moderna und Johnson & Johnson. Die Tübinger Firma Curevac bereitet gerade die Phase zwei vor. Insgesamt kostet eine klinische Entwicklung übrigens einige Hundert Millionen Euro!