Berlin. Wenn zum Beispiel eine Kollegin, die sich eigentlich schon vorzeitig in die Rente verabschiedet hatte, plötzlich wieder im Betrieb auftaucht, sollte man sich nicht allzu sehr wundern. Denn für fitte Fachkräfte „63 plus“ gibt es jetzt einen neuen Arbeitsanreiz: Die Vorgaben für den Hinzuverdienst bei Frührente – sind ersatzlos weggefallen!

Bis 2019 war die Regel da ziemlich streng, 6.300 Euro im Jahr waren damals die Grenze. Wer also mehr als in einem Minijob hinzuverdiente, musste dafür eine Kürzung der Frührente in Kauf nehmen. Während der Pandemie wurde die Grenze dann deutlich angehoben, nun fällt sie ganz weg. Und diese Änderung gilt laut der Deutschen Rentenversicherung „für alle Rentnerinnen und Rentner, unabhängig vom Zeitpunkt des Rentenbeginns“.

Der Wegfall der Hinzuverdienstgrenze soll auch im Kampf gegen den Fachkräftemangel helfen

Diese Reform hilft nicht etwa nur den betroffenen Frührentnern. „Durch die damit einhergehende Flexibilität beim Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand kann ein Beitrag geleistet werden, dem bestehenden Arbeits- und Fachkräftemangel entgegenzuwirken“, heißt es in der Begründung des Anfang Dezember verabschiedeten Gesetzes. „Gleichzeitig wird durch den Wegfall das bestehende Recht vereinfacht und Bürokratie abgebaut“ – insbesondere bei der Rentenversicherung.

Als das Kabinett die neue Regel im Sommer 2022 auf den Weg brachte, erklärte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD): „Schon während der letzten beiden Corona-Jahre lag die Hinzuverdienstgrenze deutlich höher als zuvor. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht – und ermöglichen nun dauerhaft, den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand flexibel zu gestalten. Auch im Bereich der Erwerbsminderungsrenten verbessern wir die Hinzuverdienstmöglichkeiten merklich. Das ist ein wichtiges Signal für erwerbsgeminderte Menschen, denen wir damit eine Brücke in den Arbeitsmarkt bauen.“

Für Erwerbsminderungsrentner gilt nun eine höhere Hinzuverdienstgrenze

Menschen, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen, dürfen jetzt also deutlich mehr hinzuverdienen als bisher (die Grenze fällt aber in solchen Fällen nicht etwa weg). „Beim Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ergibt sich 2023 eine Hinzuverdienstgrenze von rund 35.650 Euro“, teilt die Rentenversicherung mit. Bei Renten wegen voller Erwerbsminderung liegt die Grenze dieses Jahr bei 17.820 Euro.

Aber Achtung: „Eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit darf nur im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens ausgeübt werden – anderenfalls kann der Anspruch auf die Rente trotz Einhaltung der Hinzuverdienstgrenzen entfallen.“

An der Besteuerung des jeweiligen Hinzuverdiensts hat sich nichts geändert, das gilt für Frührentner und Erwerbsminderungsrentner gleichermaßen. 

Außerdem werden natürlich die ganz normalen Sozialbeiträge fällig, wenn man als Frührentner sozialversicherungspflichtig arbeiten geht: Abzüge für die Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Wie das Institut der deutschen Wirtschaft nun vorgerechnet hat, wird der Hinzuverdienst durch die Abgaben deutlich geschmälert. Fazit der Forscher: „Bei Betrachtung des Nettoeinkommenseffekts sind die Arbeitsanreize demnach nicht besonders hoch, wenn die Entscheidung für einen vorzeitigen Rentenbezug grundsätzlich eine hohe Präferenz für Freizeit ausdrückt.“ Daher bleibe für diejenigen, „die bereits vor Erreichen der Regelaltersgrenze mit Abschlägen aus dem Erwerbsleben ausscheiden und in geringem Maße weiterarbeiten möchten, vermutlich der Minijob die attraktivere Option“. 

Bei den Witwen- und Witwerrenten hat sich übrigens nichts geändert. Hier gelten auch weiterhin die bisherigen Regeln für die Anrechnung von Einkommen. Das Arbeitsministerium erklärt dazu: „Es würde der Unterhaltsersatzfunktion von Hinterbliebenenrenten widersprechen, wenn bei diesen Renten die Freibeträge zu hoch angesetzt würden oder die Einkommensanrechnung ganz wegfiele. Änderungen wurden deshalb hier bewusst nicht in Betracht gezogen.“ 

Thomas Hofinger
Chef vom Dienst aktiv

Thomas Hofinger schreibt über Wirtschafts-, Sozial- und Tarifpolitik – und betreut die Ratgeber rund ums Geld. Nach einer Banklehre sowie dem Studium der VWL und der Geschichte machte er sein Volontariat bei einer großen Tageszeitung. Es folgten einige Berufsjahre als Redakteur und eine lange Elternzeit. 2006 heuerte Hofinger bei Deutschlands größter Wirtschaftszeitung aktiv an. In seiner Freizeit spielt er Schach und liest, gerne auch Comics.

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