Erlangen/Nürnberg. Monika J. traut sich kaum noch allein aus dem Haus. Zu unsicher ist die Rentnerin auf den Beinen, häufige Schwindelanfälle machen ihr Angst, zu stürzen. Sie ist alleinstehend – aber nicht allein. Die Nachbarn im Ort helfen ihr, wo sie können, kaufen für sie ein oder begleiten sie bei Besorgungen.

Hilfe unter Nachbarn: Je größer eine Stadt, je anonymer ein Wohnviertel ist, umso seltener gibt es sie. Doch jetzt arbeiten Wissenschaftler aus Bayern an der Lösung dieses Problems. Die Digitalisierung kann dabei helfen, Menschen wieder näher zusammenrücken zu lassen.

17,5 Millionen Single-Haushalte gibt es in Deutschland

Die Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer-Instituts für integrierte Schaltungen IIS in Erlangen hat gemeinsam mit Projektpartnern eine App entwickelt, die es einfacher machen soll, Hilfesuchende mit denen in Kontakt zu bringen, die Unterstützung anbieten können.

     

    Potenzielle Anwender gibt es viele: Rund 2,2 Millionen über 65-Jährige in Deutschland leben allein. Über alle Altersgruppen hinweg gab es 2019, das ist die jüngste Statistik, hierzulande mehr als 17,5 Millionen Single-Haushalte. Aber nicht nur die, auch Alleinerziehende oder junge Familien sind oft dankbar für Unterstützung.

    69 Prozent der Deutschen empfinden, dass Nachbarschaftlichkeit in den letzten 20 Jahren weniger geworden ist. Quelle: Ipsos, 2019

    Die App gibt Tipps, wer wobei helfen kann

    „Mit der App wollen wir das Dorf in die Stadt bringen und die Nachbarn in einem Quartier miteinander vernetzen“, sagt Matthias Goldhan, Wissenschaftler am Fraunhofer IIS. Sie soll mehr sein als ein Schwarzes Brett für „Suche“- und „Biete“-Einträge: Die Nutzer legen sich ein Profil an und beschreiben, was sie für andere tun können: Lampen anschließen, Dinge reparieren, bei Behördengängen begleiten. Stellt ein Hilfesuchender eine Anfrage, schlägt die App passende Helfer vor, an die man sich wenden kann. So kann die moderne Technik Brücken bauen, die vielleicht so mancher heute im Alltag vermisst: Denn mehr als zwei Drittel der Deutschen empfinden, dass wir in den vergangenen 20 Jahren weniger nachbarschaftlich geworden sind, so eine Ipsos-Umfrage.

    Ein Community Manager stellt persönliche Kontakte her

    Zurzeit wird die kostenlose App in einem Nürnberger Stadtviertel von den Bewohnern getestet. Zum Konzept gehört hinter der Technik auch ein Ansprechpartner aus Fleisch und Blut: Ein Community-Manager kann die User im persönlichen Kontakt vernetzen. Wer nicht so versiert im Umgang mit Apps ist, kann sich in der Nutzung schulen lassen. Damit will Fraunhofer IIS gerade älteren Menschen den Weg in die Digitalisierung ebnen.

    Kontakte knüpfen: Diese Tools helfen

    • nextdoor.de unterstützt deutschlandweit beim Kennenlernen, Austauschen von Tipps und gemeinsamen Aktivitäten.
    • nebenan.de verbindet in ganz Deutschland die Menschen in ihren Vierteln miteinander.
    • Nachbarschaft.net fördert zwischenmenschliche Kontakte in Großstädten. 
    Ursula Wirtz
    aktiv-Redakteurin

    Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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