Karlsruhe. Hopp oder top. Nächstes Jahr will die Europäische Union die grüne Gentechnik neu bewerten. Forscher und Züchter halten die EU-Vorschriften für gentechnisch veränderte Pflanzen nicht mehr für zeitgemäß. Warum, erklärt Professor Holger Puchta vom Karlsruher Institut für Technologie.

Was stört Sie am Gentechnik-Gesetz?

Die Regeln wurden für die Verfahren gemacht, die Forscher in den 1990er Jahren nutzten. Das passt nicht mehr. Die Gen-Schere arbeitet viel gezielter, präziser und filigraner als alle bisherigen Methoden.

Wo ist denn die neue Gentechnik besser als die bisherigen Methoden?

Blicken wir kurz zurück: Seit den 60er Jahren hat man 3.000 Sorten durch radioaktive Strahlung erzeugt. Die enthalten Tausende unbekannter Mutationen, viele kommen noch heute auf unseren Tisch. Dann kamen erste gentechnische Verfahren; man hat Gene auf Partikeln ins Erbgut von Pflanzen geschossen, auch ein recht grobes Verfahren.

Und jetzt ist alles besser?

Mit der Gen-Schere nehmen wir nur punktuelle Eingriffe am Erbgut vor. Wir setzen gezielt an ein oder zwei ausgesuchten Stellen an und aktivieren oder blockieren dort Gene, um gewünschte Eigenschaften hervorzurufen wie eine Resistenz gegen Pilze. Es ist das gleiche Erbgut, aber eine veränderte Pflanze!

Ein Eingriff ist es doch!

Wissenschaftler nennen das Punktmutation. Und die passiert in der Natur ständig und 1.000-fach. Zwei willkürlich ausgewählte Gerstenpflanzen auf einem Acker unterscheiden sich durch etwa 100 solcher Mutationen. Bei den von uns gezüchteten Pflanzen sind es ein, zwei, vielleicht drei Mutationen.

Wie soll die EU das dann regeln?

Für die mit der Gen-Schere erzeugten Pflanzen, bei denen es nur punktuelle Eingriffe gab, sollten die gleichen Regeln gelten wie für herkömmlich gezüchtete Pflanzen. Selbstverständlich findet dann die Sortenprüfung statt. Aber die strengen Tests für gentechnisch veränderte Züchtungen können entfallen – bis auf die wenigen Fälle, bei denen mit der Gen-Schere fremdes Erbgut übertragen wird.

Und wo bleibt der Verbraucherschutz bei Pflanzen mit punktuellen Eingriffen?

Auch bei der Sortenprüfung werden Verträglichkeit und Unbedenklichkeit untersucht. Kein Mensch muss sich Sorgen machen, dass ihm eine so erzeugte Pflanze in der Ernährung schadet. Ich würde keinen Augenblick zögern, davon zu essen.

Hans Joachim Wolter
aktiv-Redakteur

Hans Joachim Wolter schreibt bei aktiv vor allem über Klimaschutz, Energiewende, Umwelt, Produktinnovationen sowie die Pharma- und Chemie-Industrie. Der studierte Apotheker und Journalist begann bei der Tageszeitung „Rheinpfalz“ in Ludwigshafen und wechselte dann zu einem Chemie-Fachmagazin in Frankfurt. Wenn er nicht im Internet nach Fakten gräbt, entspannt er bei Jazz-Musik, Fußballübertragungen oder in Kunstausstellungen.

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