Schüttorf. Unterwäschefotos von Kollegen sieht man eher selten. In hoher Auflage gedruckt und an Kunden verschickt sind sie noch ungewöhnlicher. „Diese Bilder waren sowohl im Betrieb als auch im Kegelklub Gesprächsthema“, erinnert sich Oliver Groon an seinen besonderen Einsatz 2005. Damals hatte er zum ersten Mal für den Produktkatalog seines Arbeitgebers posiert. Das ROFA Bekleidungswerk, ein Familienunternehmen aus dem niedersächsischen Schüttorf, produziert Arbeitskleidung und persönliche Schutzausrüstung (PSA) – darunter auch Thermounterwäsche. „Und ausgerechnet die sollte ich bei meinem ersten Auftritt im Katalog präsentieren …“

„Nichts wirkt authentischer als Mitarbeiter, die sich mit ihrem Produkt identifizieren." (Julia Latour, Strategische Brand-Managerin)

Nach dem ersten Foto findet Groon Spaß an der Sache. Viele weitere Model-Auftritte für den Betrieb folgen. Beim aktiv-Besuch zeigt der 50-Jährige Fotos aus neueren Katalog-Produktionen. Da sieht man ihn etwa als Straßenbauer im orangefarbenem Warnanzug und als Arbeiter mit Schüppe und Regenjacke. Auch als Elektriker an einer Hochspannungsleitung hat der Textiltechniker bereits posiert – zuletzt durfte er für ein Shooting sogar auf den Turm einer Ölraffinerie klettern!

Gesicht zeigen: Mitarbeiter sind die sympathischsten Botschafter

Die Planungen für die Werbeaufnahmen laufen beim Marketingteam zusammen. „Ich war sofort Fan des Konzepts, auch Mitarbeiter als Models im Katalog zu zeigen“, sagt Marketing-Manager Gero Lupetto, der seit Anfang des Jahres bei ROFA arbeitet. Professionelle Models wüssten manchmal gar nicht, wie sie sich in Arbeitsschutzkleidung oder PSA bewegen sollen. „Unsere Leute sind viel näher am Produkt“, so Lupetto, „sie tragen ja oft selbst PSA bei der Arbeit.“Aus Sicht von Brand-Managerin Julia Latour, ebenfalls recht neu im Betrieb, spricht noch ein weiterer Grund für Mitarbeiter-Models: „Im Marketing müssen Unternehmen heute Gesicht zeigen. Nichts wirkt authentischer und persönlicher als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich mit ihrem Produkt identifizieren.“ Auch im Azubi-Marketing setzt ROFA deshalb auf eigene Gesichter: „Wir starten gerade ein Videoformat auf Instagram, in dem wir Beschäftigte berufliche und private Fragen stellen“, sagt Latour.

Authentisch sein, Einblicke geben: Das sollen auch die Bilder im Rofa-Hauptkatalog, der etwa alle zwei Jahre aktualisiert wird. Deshalb finden die Shootings selten im Studio, sondern meist in echten Betrieben statt. „Manchmal fotografieren wir auch die Beschäftigten unserer Kunden“, sagt Lupetto.

Blaumann war gestern – auch Arbeitschutzkleidung darf heute modisch sein

So vielfältig wie die Models ist auch das Produktportfolio. Softshelljacke, Blouson, Bermuda-Shorts – der klassische Blaumann rückt im Katalog immer mehr in den Hintergrund. „Arbeitsschutzkleidung und PSA müssen heute nicht nur Leben schützen und Normen einhalten, sondern auch bequem und trendy sein“, erklärt Lupetto. „Wir stellen rund 40 Kollektionen her, die sich in 200 Produkte aufteilen.“ Lesen Sie auch auf aktiv-online, wie die Textilien von Rofa Industriemitarbeiter vor Gefahren schützen.

Teilzeit-Model Groon trägt in der Werkhalle heute blaue Shorts und ein rotes Poloshirt. „Wenn hier alle Maschinen laufen, ist es im Sommer schnell mal sehr heiß“, erklärt er sein legeres Outfit. Groons Job ist die Warenschau: Er untersucht das fertige und veredelte Gewebe auf Webfehler, Farbabweichungen und Verunreinigungen, bevor es in die Konfektion und die Näherei geht.

Nutzt er die vielfältige Arbeitsschutzkleidung, die er in den Katalogen präsentiert hat, eigentlich auch in der Freizeit? „Bei der Gartenarbeit brauche ich zum Glück keine PSA“, sagt Groon. Auf der Arbeit dagegen ist er stolz darauf, selbst produzierte Workwear tragen zu können.

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Ich habe ursprünglich Kfz-Mechaniker gelernt. Dann wollte ich nach meinem Wehrdienst in der Gegend bleiben. Jetzt bin ich seit 27 Jahren bei ROFA.

Was reizt Sie am meisten?

In der Warenschau mache ich die letzte Qualitätskontrolle, bevor die Stoffe auf Rolle gezogen oder auf Palette gestapelt werden. Das ist eine sehr verantwortungsvolle Position.

Wie haben Bekannte auf die Fotos im Katalog reagiert?

Die haben gefragt, ob ich jetzt einen Modeljob hätte: Dann könnte ich hier ja aufhören.

Michael Aust
aktiv-Redakteur

Michael Aust berichtet bei aktiv als Reporter aus Betrieben und schreibt über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach seinem Germanistikstudium absolvierte er die Deutsche Journalistenschule, bevor er als Redakteur für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Mitarbeiter-Magazine diverser Unternehmen arbeitete. Privat spielt er Piano in einer Jazz-Band. 

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