Glühendes Eisen, kalt glänzender Bandstahl, präzise geformte Stanzteile – das ist das Pfund, mit dem Plettenberg und seine Unternehmen wuchern können.

Knapp 70 Prozent der Beschäftigten arbeiten im Produzierenden Gewerbe. Und die Metall-Industrie ist der umsatzstärkste Wirtschaftszweig in der 26.000 Einwohner großen Stadt im südlichen Märkischen Kreis. Kaum ein klassisches Auto, das nicht mit Teilen aus Plettenberg unterwegs ist.

Wenn das E-Auto den Verbrenner verdrängt – was dann?

Aber was ist, wenn es keine Verbrennungsmotoren mehr gibt und viele Bauteile überflüssig werden? Gestellt hat sich die Frage auch Gisela Quintenz, Geschäftsführerin der Firma Rasche Umformtechnik, auf einem Strategie-Workshop: „Was produzieren wir dann?“

Das Unternehmen liefert hochwertige Warmumformteile in viele Branchen. Der Automotive-Bereich ist mit 65 Prozent jedoch der stärkste. Da lohnt es sich, beizeiten nach neuen Standbeinen Ausschau zu halten. „Wir wollten in der Region schauen, ob man nicht Start-up-Ideen aufgreifen kann“, erklärt Gisela Quintenz. Das Familienunternehmen war zwar schon immer innovativ, aber: „Allein schafft man das nicht unbedingt.“

Es geht darum, die starke Plettenberger Industrie bekannter zu machen

Die Geschäftsführerin fand schnell Mitstreiter. Im Plettenberger Wirtschaftsförderverein Pro Wirtschaft zum Beispiel. „Uns bewegt die Frage, wie wir Plettenberg attraktiver, die starke Industrie bekannter machen können“, sagt Vorstandsmitglied Uwe Nahrgang.

Auch die Unternehmen Mendritzki, Frauenthal Powertrain und Junior waren spontan als Sponsoren dabei, weitere Firmen kamen als Unterstützer dazu. Die Hammeridee wurde geboren – ein überregionaler Wettbewerb, der Visionen sucht, sie mit Firmen zusammenbringt und im besten Fall zur Marktreife führt.

Wettbewerb „Hammeridee“ ist voller Erfolg

Das Event, innerhalb weniger Monate auf die Beine gestellt, ist erfolgreich über die Bühne gegangen. Geblieben ist der Wunsch nach einer Wiederholung und das Gefühl, dass es sich lohnt, zusammenzurücken.

25.800 Einwohner hat Plettenberg, und 70 Prozent der Beschäftigten arbeiten im Produzierenden Gewerbe

„In den vielen Vorbereitungsgesprächen hat sich herauskristallisiert, dass nur durch ein enges Networking Standortvorteile genutzt werden können“, berichtet die Rasche-Geschäftsführerin. Das Thema soll vorangetrieben werden, so der Wunsch der Unternehmen, die zum harten Kern der Hammeridee gehören.

Auf der Suche nach Dingen, die verbinden

Auf den ersten Blick haben sie wenig miteinander zu tun. Nur Frauenthal Powertrain kommt wie Rasche aus dem Schmiedebereich. Das Unternehmen ist Marktführer bei der Produktion von Pleuelstangen für Pkw und Lkw – 30 Millionen Stück verlassen das Plettenberger Werk im Jahr. Ein Teil der Schmiedeanlagen arbeitet vollautomatisch. Auf plus/minus fünf Gramm genau werden die Teile gefertigt.

Ein hoher Automatisierungsgrad zeichnet auch die Junior-Gruppe aus, das Produkt ist jedoch ein ganz anderes. Das Unternehmen hat sich auf den Gerüstbau spezialisiert. Die Teile „made in Plettenberg“ werden weltweit mit Schwerpunkt Europa ausgeliefert. 450 Mitarbeiter hat das 60 Jahre alte Unternehmen.

Zehn Jahre jünger ist die Mendritzki-Gruppe, die von Plettenberg aus acht Gesellschaften steuert. Ursprung ist das Kaltwalzwerk. Rund 200.000 Tonnen Kaltband jährlich werden in den zwei Werken schmal geschnitten und gewalzt. 300 der insgesamt 1.000 Mitarbeiter sind hier beschäftigt.

„Die Region ist sensationell aufgestellt“

Vier Unternehmen, die für einen starken Standort stehen. „Die Region ist sensationell aufgestellt“, bestätigt Andreas Peters, Entwicklungsleiter bei Mendritzki, „nur weiß die Plettenberger Wirtschaft oft nicht, was sie weiß. Ein gegenseitiger Austausch wäre wichtig, um ihr eine Perspektive zu geben.“

Diese Einschätzung teilt Wirtschaftswissenschaftler Peter Vieregge (Interview Seite 15): „Wir haben hier ein starkes Cluster, in dem sich bestimmte wirtschaftliche Kompetenzen konzentrieren.“ Das bringe Synergievorteile.

„Die Unternehmen stehen alle vor relativ ähnlichen Voraussetzungen: nicht mehr so lang laufende Serien, immer jüngere Teile. Da ist es für alle interessant zu gucken, was die anderen machen“, sagt der Experte: „Alle großen Herausforderungen wie etwa Digitalisierung oder E-Mobilität kann ein Verbund von Unternehmen besser meistern als ein einzelnes Unternehmen.“

In Südwestfalen ist geballtes Clusterwissen zu finden

Beispiele für erfolgreiche Netzwerke gebe es gerade in Südwestfalen zahlreich. Zum Draht, zur Gebäudetechnik, zu Maschinenbau, Oberflächentechnik oder Kunststoffverarbeitung ist da geballtes Cluster-Wissen zu finden.

In anderen wie der Expertise Sauerland bringen Firmen unterschiedliche Kompetenzen ein, um gemeinsame Kundenprojekte anbieten zu können. Der Vorteil: Ohne die Selbstständigkeit aufzugeben, sind mehr Innovationen möglich.

Gemeinsam einen 3-D-Drucker nutzen

Forschung und Entwicklung forcieren, mit Hochschulen zusammenarbeiten, Jungunternehmen ansiedeln und damit Plettenberg attraktiver machen – diese Vision teilen Firmen, Verein Pro Wirtschaft und Stadt. Je mehr Unternehmen mitmachen, desto größer ist die Chance der Umsetzung, sind die Netzwerker überzeugt.

Auf der anderen Seite sind es oft schon kleine Dinge, von denen die Unternehmen profitieren könnten, sei es die gemeinsame Nutzung eines 3-D-Druckers oder einer Schweißmaschine. „Unsere Nachbarfirma gegenüber hat ein Rasterelektronenmikroskop. Das hätten wir mal gut gebrauchen können, aber wir wussten es nicht“, nennt Mendritzki-Entwicklungsleiter Peters ein Beispiel.

Mit einem Ersatzteil-Netzwerk wollen sich die Firmen gegenseitig aushelfen

Der Bedarf an Networking ist auf jeden Fall da: Fast ein Viertel der Vorschläge zur Hammeridee beschäftigte sich mit Netzwerken. Die Idee von Michael Schulz, Projektleiter bei Rasche, kam beim Publikum, unter ihnen viele Unternehmensvertreter, am besten an.

Er denkt schon lange über ein Ersatzteil-Netzwerk nach, bei dem sich die Instandhalter der Firmen gegenseitig aushelfen können. Offiziell und organisiert und nicht so wie damals, als er dringend einen Zahnriemen brauchte und nicht bekam. Und ein Kollege aus einem anderen Unternehmen ihm ganz schnell, aber unter der Hand, aus der Patsche half.

Hildegard Goor-Schotten
Autorin

Die studierte Politikwissenschaftlerin und Journalistin ist für aktiv vor allem im Märkischen Kreis, Hagen und dem Ennepe-Ruhr-Kreis unterwegs und berichtet von da aus den Betrieben und über deren Mitarbeiter. Nach Studium und Volontariat hat sie außerdem bei verschiedenen Tageszeitungen gearbeitet und ist seit vielen Jahren als freie Journalistin in der Region bestens vernetzt. Privat ackert und entspannt sie am liebsten in ihrem großen Garten

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