München. Wo genau befindet sich mittlerweile ein bestimmtes Bauteil? Wie weit fortgeschritten ist schon dieser extrem wichtige Fertigungsauftrag? Und was macht eigentlich die Flugzeugturbine, die vergangene Woche in die Instandhaltung gegeben wurde? Für solche Fragen mussten in der Vergangenheit Mitarbeiter des Triebwerkherstellers MTU Aero Engines am Firmensitz in München oder an anderen Standorten auch schon mal Kollegen hinterhertelefonieren.

„Das geht natürlich deutlich besser“, sagt Lucas Burgey (35). Der Wirtschaftsingenieur arbeitet seit 2014 bei MTU in München in der Logistik. Ein kleines Team hat mit ihm als Projektleiter vor knapp zwei Jahren das Vorhaben gestartet, die schon bestehenden und bewährten Abläufe und Prozesse weiter zu optimieren. Dafür kommt nun beispielsweise in Fertigung, Einkauf, Absatz oder Instandsetzung digitale Technik zum Einsatz. Die Kollegen aus der IT haben dabei kräftig unterstützt.

Standort feststellen, Informationen abrufen, Status verändern

Das Stichwort lautet „Track & Trace“, also wörtlich übersetzt „Verfolgen & Aufspüren“. Dabei geht es nicht um das Auffinden verlorener Dinge, sondern um das beständige Nachverfolgen, also um vollständige Transparenz von Prozessen. Ziel ist es, für jeden wichtigen Fertigungsauftrag auf dem Werkgelände den Standort feststellen, Informationen abrufen und den Status verändern zu können – und das alles in Echtzeit. Jeder Mitarbeiter weiß dann ohne Zeitverzug auch über Fortschritte in anderen Abteilungen des Unternehmens Bescheid.

Nötig dafür ist eine gemeinsame Software, mit der alle Daten gespeichert, verarbeitet und abgerufen werden. Und es braucht leistungsstarke und günstige Sender. Bei MTU funktionieren sie auf der Basis eines sogenannten Ultrawideband (UWB)-Systems. Das ist eine Funktechnik für den Nahbereich, die über eine zentimetergenaue Präzision verfügt. „Solche UWB-Tags kosten heute nur mehr ein Drittel von dem Preis früherer Jahre“, berichtet Burgey.

Die Vorteile der Anwendung sind vielfältig. So reduziert sich etwa der Suchaufwand für die Mitarbeiter in den verschiedenen Abteilungen immens. Außerdem sind Informationen in Echtzeit die Grundlage für eine zunehmende Automatisierung. Transparente Prozesse erlauben darüber hinaus auch Rückschlüsse darüber, wo es eventuell noch ruckelt. In einem Soll-Ist-Vergleich lassen sich etwa die beobachteten mit den geplanten Abläufen vergleichen. Kam es irgendwo zu Fehlern? Wo hat etwas besonders gestockt? Waren die Ansprüche von Anfang an möglicherweise zu hoch? All diese Fragen lassen sich nun viel einfacher klären.

Bei den Mitarbeitern kommt die neue Technik jedenfalls sehr gut an, so Burgey. „Sie unterstützt sie bei der täglichen Arbeit“, berichtet er. „Es ist durchaus praktisch, den Materialfluss digital abgebildet zu haben.“ Außerdem fühlten die Kollegen sich und ihre Aufgaben wertgeschätzt, wenn moderne Technik in ihr Arbeitsleben integriert werde.

Künftig könnte sich der Informationsfluss auch auf globale Lieferketten erstrecken

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um mit dem System zu arbeiten. Die Steuerung klappt über den PC am Schreibtisch ebenso wie per Smartphone oder Tablet. „Wir haben großen Wert auf Flexibilität und Mobilität gelegt“, sagt Burgey. „Denn das wird in Zukunft immer wichtiger werden.“ Schon heute würden mehr als die Hälfte der Anwender mobile Endgeräte nutzen.

Die Folgen für die verschiedenen Arbeitsprozesse sind gravierend. Denn es geht nicht einfach nur um Automatisierung und weniger Aufwand. „Mitarbeiter können viel bessere Entscheidungen treffen, wenn ihnen wichtige Informationen in Echtzeit zur Verfügung stehen“, erklärt Burgey. Laufe etwa ein Lager leer, sei es wertvoll zu wissen, dass Nachschub bereits auf dem Weg ist.

Zukünftig könnte das System nicht nur innerbetriebliche Prozesse optimieren, sondern auch internationale Logistikketten effizienter gestalten und Beziehungen mit Lieferanten oder Kunden verbessern. „Der Abstimmungsaufwand dafür wäre gerade in der Einführungsphase natürlich enorm“, sagt Burgey. „So müsste man sich beispielsweise darauf einigen, wo Daten gespeichert werden – und wer alles darauf Zugriff hat.“

Nachgefragt

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Ich habe mich schon im Studium für Logistik interessiert, weil sie fast alle Bereiche in einem Unternehmen berührt.

Was reizt Sie am meisten?

Ich kann sehr viel bewegen, bin gut vernetzt und habe einen sehr guten Überblick, was in den verschiedenen Abteilungen passiert.

Worauf kommt es an?

Man muss sich auf die verschiedensten Menschen einstellen und sie mitnehmen können. Zudem darf man keine Angst vor Veränderungen haben und muss selbst etablierte Prozesse ständig hinterfragen und verbessern wollen.

Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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