Berlin/Freiburg. Ach, Deutschlands Wälder! Sie gehören zu uns wie Kuckucksuhren, Fachwerkhäuser und Märchen der Gebrüder Grimm. Doch die heile Holzwelt ist aus den Fugen geraten: Der nachwachsende Rohstoff, letztes Jahr wegen des Borkenkäferbefalls noch im Überfluss vorhanden, ist plötzlich sehr knapp. Und die Preise dafür? Sind explodiert.

Wer jetzt zum Beispiel einen Hausbau plant, muss mit Mehrkosten von Zigtausenden Euro rechnen. Im April war Rohholz laut Statistischem Bundesamt bei den Großhändlern um 17 Prozent teurer als noch vor einem Jahr. Sparren, Balken und Bretter hätten sich sogar teilweise um 100 bis 300 Prozent verteuert, heißt es beim Deutschen Forstwirtschaftsrat in Berlin.

Haus-Neubau: Wird wegen Holzmangels nun häufig verschoben.

Einer der Gründe: Der Bauboom wegen Corona

Allerdings haben Bauherren noch ein ganz anderes Problem. aktiv sprach mit Marc Hanewinkel, Forstökonomie-Professor aus Freiburg. Er sagt: „Es ist schwierig, jetzt überhaupt Bauholz zu bekommen. Ganze Bauprojekte müssen deswegen verschoben werden.“

Der Grund für das Dilemma: Die Nachfrage aus aller Welt nach deutschem Holz ist exorbitant gestiegen. Seit 2015 hat sich die Exportmenge von Rohholz mehr als verdreifacht. Und in der Pandemie hat die Ausfuhr noch mal stark zugelegt – denn die niedrigen Zinsen und die pandemiebedingte Lust aufs Eigenheim haben einen Bauboom ausgelöst. Nicht nur bei uns, sondern in der ganzen Welt. Hanewinkel: „China beispielsweise hat ohnehin einen riesigen Hunger auf unser Holz, weil es dort kaum eigene Ressourcen gibt. Jetzt ist der Bedarf da noch viel größer.

Haus-Neubau: Wird wegen Holzmangels nun häufig verschoben.

Die USA sind auf Holzimporte angewiesen

Auch die USA sind dringender denn je auf Holz aus Deutschland angewiesen. Dort kommt hinzu: Der benachbarte Hauptlieferant Kanada kann nicht mehr so viel liefern wie früher, weil Käfer große Waldflächen zerstört haben.

Rohstoff-Knappheit lässt grüßen: Ein Problem, das die Industrie längst aus anderen Bereichen kennt, etwa bei Mikrochips, bekommen beim Holz jetzt Verbraucher, Handwerker und die Bauwirtschaft zu spüren. Und das recht überraschend, denn, so Hanewinkel: „In den letzten drei Jahren sind bei uns durch den Borkenkäferbefall riesige Mengen Schadholz angefallen.“ Im Jahr 2020 seien es 72 Millionen Kubikmeter gewesen.

Seit der Wiedervereinigung sei noch nie so viel Holz eingeschlagen worden wie im vergangenen Jahr, so das Statistische Bundesamt. Und nun kommen die Waldbesitzer mit dem Fällen gar nicht hinterher. Sie selbst haben allerdings nichts von dem höheren Preis, denn vom Exportboom profitieren bislang nur die Händler – die das Holz in die USA auch noch zu viel höheren Preisen verkaufen können als bei uns.

Fichtenholz: „Die Welt braucht Alternativen“

Wie geht es nun weiter? „Was wir jetzt beobachten, ist sicher kein kurzfristiger Effekt“, sagt Forstökonom Hanewinkel. Er rechnet nicht damit, dass Holz bald wieder verfügbarer und günstiger wird. Die Fichte, klassisches Material zum Bauen, werde in unseren Wäldern nicht mehr in der Menge zurückkommen, wie wir sie früher mal hatten.

„Deshalb braucht die Welt auch Alternativen“, gibt der Experte zu Bedenken. „Sinnvoll könnte zum Beispiel sein, verstärkt Laubholz als Bauholz zu nutzen.“ Doch erst einmal braucht der Verbraucher für private Bauprojekte mehr Geld und Geduld als bisher.

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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