Eine Raumstation mit Suchtpotenzial. „Ich will wieder nach oben“, rief der deutsche Astronaut Alexander Gerst, als er im November 2014 nach gut sechs Monaten im All wieder festen Erdboden unter den Füßen hatte.

Gerst war bereits der dritte deutsche Weltraumfahrer an Bord der Internationalen Raumstation ISS. Ihr Bau hatte vor rund 20 Jahren begonnen, als die Raumfahrtorganisationen aus den USA, Kanada, Russland, Europa, Brasilien und Japan ein entsprechendes Abkommen unterzeichneten. Zehn Monate später brachte eine russische Proton-Rakete das erste Modul in den Orbit. Weitere Teile folgten, und so wuchs die ISS in elf Jahren auf die Größe, die sie heute hat.

Die 450 Tonnen schwere Hightech-Konstruktion ist seit November 2000 dauerhaft bewohnt und hat beeindruckende Ausmaße. Sie ist über 100 Meter lang und damit groß genug, um sie bei klarem Himmel mit bloßem Auge sehen zu können. Dabei umrundet sie unseren Planeten in einer Höhe zwischen 320 und 400 Kilometern, und das mit einer Geschwindigkeit von 28.000 Stundenkilometern. Eine Umrundung dauert so lang wie ein Fußballspiel: ziemlich genau 90 Minuten.

Rund 880 Millionen Euro hat das Labor gekostet

Seit Februar 2008 hat die ISS einen festen Begleiter aus Bremen. das Raumlabor Columbus, das von der Europäischen Weltraumorganisation ESA bestellt und von Airbus als Hauptauftragnehmer entwickelt und gebaut worden war.

Vier Tage nach dem Start mit dem legendären Space Shuttle „Atlantis“ war es endlich so weit: Der knapp sieben Meter lange und 13 Tonnen schwere Zylinder dockte an der ISS an, die Verbindungsschleusen öffneten sich, und im Kontrollzentrum brach Jubel aus, der minutenlang anhielt.

Die Struktur des fliegenden Labors wurde in Italien gefertigt, der Endausbau erfolgte in Bremen. Von hier aus wurde auch die gesamte Entwicklung des Raumlabors gesteuert. Noch heute arbeiten in der Hansestadt rund 100 Mitarbeiter an der Columbus. Sie pflegen, warten und aktualisieren Soft- und Hardware, modernisieren die Station, bauen ein WLAN-Netz an Bord auf und bereiten Experimente vor.

Rund 880 Millionen Euro hat Columbus gekostet, die jährlichen Wartungskosten summieren sich auf etwa 300 Millionen Euro. „Ein finanzieller Einsatz, der gerechtfertigt ist“, sagt Oliver Juckenhöfel, Airbus-Standortleiter in Bremen. „Europa hat dank Columbus eine einzigartige Kompetenz in Sachen Mikrogravitationsforschung aufgebaut. Wir haben zahlreiche Erkenntnisse für die Verbesserung des Lebens auf der Erde gewonnen, unter anderem in der Medizin und der Materialforschung.“

Etwa 1.600 wissenschaftliche Experimente wurden bisher unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit durchgeführt. So haben die Wissenschaftler beispielsweise die Sonnenaktivität gemessen, besonders reine Halbleiterkristalle hergestellt, verschiedene Metalle zu neuen Legierungen geschmolzen, Pflanzen unter den Bedingungen der Schwerelosigkeit wachsen lassen und Proteine gezüchtet.

Zehn Experimentierschränke hat das Weltraumlabor

Und die Astronauten haben gelernt, wie sie selbst und ihr Organismus auf die Bedingungen im Weltall reagieren. Juckenhöfel: „All diese Erkenntnisse brauchen wir, wenn wir uns einmal dauerhaft aus dem erdnahen Orbit in andere Regionen bewegen wollen.“

Für die wissenschaftliche Forschung ist Columbus mit zehn Experimentierschränken ausgestattet, sogenannten Racks. Jedes Rack ist etwa so groß wie eine Telefonzelle, bis zu 500 Kilogramm schwer und besitzt eine eigene Stromversorgung, Kühlsysteme sowie je nach Aufgabe Video- und Datenleitungen. Zusätzlich hat Columbus sechs weitere Schränke an Bord, von denen jeweils drei als Stauraum und als Aggregate für die Strom- und Wasserversorgung sowie für die Klimaanlage dienen.

Als Leitstelle für den Betrieb und die Überwachung sämtlicher Systeme des Raumlabors dient das ESA-Columbus-Kontrollzentrum in Oberpfaffenhofen bei München. Für die Leitung und Unterstützung bei der Durchführung der Experimente gibt es spezielle Nutzerunterstützungs- und Betriebszentren, sogenannte USOCs (User Support Operations Centres). Jedes hat sich auf eine bestimmte Forschungsdisziplin spezialisiert und ist in einem anderen ESA-Mitgliedsstaat angesiedelt.

Kluge Kugel als persönlicher Assistent im Weltraum-Einsatz

Alexander Gersts Traum von einer Rückkehr zum Forschungsstützpunkt im All wird übrigens noch in diesem Jahr wahr. Im Frühsommer wird der Deutsche zum zweiten Mal zur ISS starten, fast pünktlich zum zehnten Geburtstag von Columbus. Er bricht Anfang Juni an Bord einer russischen Raumkapsel gemeinsam mit dem Kosmonauten Sergei Prokobjew und der US-Astronautin Serena Auñón-Chancellor zur Mission „Horizons“ auf. Während seines Aufenthalts in der Raumstation wird er dann erster deutscher Kommandant der ISS.

Außerdem wird Cimon mit an Bord sein, ein künstlicher Begleiter in Kugelform, der sich selbstständig in der Raumstation bewegen kann und als Assistent von Alexander Gerst funktioniert. Die kluge Kugel fliegt dem Astronauten stets hinterher und soll ihm bei der Arbeit helfen.

Mehr noch: Cimon ist mit künstlicher Intelligenz ausgestattet und kann am Gesichtsausdruck von Gerst erkennen, wie es ihm geht, und darauf reagieren.

Lothar Steckel
Autor

Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.

Alle Beiträge des Autors