Schuhe braucht jeder Mensch. Pro Jahr werden weltweit über 24 Milliarden Paar hergestellt. Trotz dieser hohen Zahl ist die Schuhproduktion nach wie vor handwerklich geprägt – nur ein kleiner Teil, etwa 10 Prozent, stammt aus automatisierter industrieller Fertigung. Die Desma Schuhmaschinen GmbH hat sich erfolgreich in dieser Nische etabliert und ist Weltmarktführer im Bereich „Direktansohlung“.

Der Sondermaschinenbauer aus Achim gilt als Erfinder dieser Technik, bei der Sohle und Schaft des Schuhs direkt miteinander verbunden werden. Das spart zahlreiche manuelle Arbeitsschritte und ermöglicht eine kostensparende Serienfertigung auf hohem Niveau. Auf den modernen Desma-Maschinen können etwa 3.000 Paar Schuhe täglich produziert werden – in gleichbleibend hoher Qualität und unterschiedlichsten Ausprägungen.

Sehr früh auf Roboter und Automatisierung gesetzt

In den 75 Jahren, auf die der Betrieb inzwischen zurückblickt, hat er immer wieder Trends für die Schuh-Industrie gesetzt. Die Geburtsstunde der Direktansohlung schlug in den 1950er Jahren. Damals entwickelte das gerade erst gegründete Unternehmen eine Vulkanisier-Presse, die Sohle und Schaft in wenigen Minuten direkt miteinander verbindet. Die industrielle Serienfertigung von Schuhen war das Ergebnis.

Anfang der 1980er Jahre, als Industrie 4.0 noch kein Thema war, integrierte der Mittelständler zum ersten Mal Roboter in seine Anlagen. Inzwischen koppelt er seine Maschinen nicht nur mit Förderbändern und Robotern, sondern entwickelt auch neuartige Einspritztechniken und verfügt über einen eigenen Formenbau. So bietet er seiner Kundschaft eine Vielfalt an Farben und Designs und die Möglichkeit, unterschiedliche Materialien und verschiedene Grade der Sohlenhärte und -dämpfung miteinander zu kombinieren.

Kein Wunder, dass bei so viel Innovationsgeist auch die eigene Produktion den selbst gesteckten Ansprüchen an Flexibilität, Effizienz und Nachhaltigkeit genügen muss. Geschäftsführer Klaus Freese: „Wir hatten in den vergangenen Jahren ein erfreuliches Wachstum, sind in unseren alten Produktionshallen aber an unsere Kapazitätsgrenzen gestoßen.“ Deshalb entschied sich der Betrieb, der 200 Fachkräfte beschäftigt, zum Bau eines neuen Werks auf dem eigenen Gelände.

Innerhalb eines Jahres entstand so die nach modernsten Prinzipien konzipierte „Fabrik der Zukunft“. Seit Herbst 2020 bauen auf 12.000 Quadratmeter Produktionsfläche bis zu 80 gewerbliche Mitarbeiter hoch automatisierte Rundtischanlagen.

Henner Meyer ist einer von ihnen. Der Industriemechaniker arbeitet in der mechanischen Vormontage. Seine Aufgaben sind vielfältig, der Anspruch an seine Leistung ist hoch. „Ich muss sehr präzise arbeiten“, sagt der 27-Jährige, „denn am Ende muss jede einzelne Arbeitsstation einer Rundtischmaschine exakt funktionieren.“

Optimierte Prozesse, hohe Qualität und Nachhaltigkeit

Nicht nur bei der Maschine kommt es auf das harmonische Zusammenspiel der einzelnen Teile an, auch die Produktionsprozesse in der neuen Desma-Fabrik bauen aufeinander auf und sind logisch vernetzt. Freeses Geschäftsführer-Kollege Christian Decker: „Wir haben unser Werk nach modernsten LEAN-Produktionsmethoden aufgebaut. So optimieren wir unsere Prozesse, erreichen eine gleichbleibend hohe Qualität, steigern unsere Flexibilität und arbeiten nachhaltig.“

Die Produktionsschritte folgen einem vorgegebenen Weg in Form eines U

Von der Anlieferung über die Lagerung, die Oberflächenbehandlung, Verarbeitung und Endmontage bis hin zur Auslieferung der fertigen Anlagen hat Desma alle Prozesse unter einem Dach vereint. Das sorgt für kürzere Durchlaufzeiten, höhere Produktivität und bessere Arbeitsbedingungen. So wurden Laufwege verkürzt und die Licht- und Luftverhältnisse in den Hallen ebenso verbessert wie die Akustik. Während Henner Meyer an einer Arbeitsstation letzte Justierungen vornimmt, überwacht sein Kollege Dawid Hinrichs den Probelauf einer vollständig aufgebauten Rundtischanlage. „Die Maschine läuft jetzt drei Tage und drei Nächte lang durch und wird dabei auf Herz und Nieren geprüft“, sagt er. Erst wenn auch die Qualitätssicherung zufrieden ist, wird die Anlage wieder auseinandergebaut und ausgeliefert.

Der Kunde ist in diesem Fall ein großer Schuhproduzent aus China, verrät Geschäftsführer Freese. Rund ein halbes Jahr muss das asiatische Unternehmen nach Aufgabe seiner Bestellung warten, dann kann die Anlage vor Ort aufgebaut werden.

Freese: „Zuvor müssen wir sie aber demontieren, verpacken und in Container stauen, um sie dann nach Fernost zu verschiffen.“ In China nehmen Desma-Experten die Anlage gemeinsam mit dem Kunden in Empfang, montieren sie und setzen sie in Betrieb.

Über 90 Prozent der Desma-Anlagen gehen in den Export. Während Industriemechaniker Hinrichs die Maschine für den chinesischen Kunden kontrolliert, arbeiten seine Kollegen gerade noch an Maschinen für Kunden in Deutschland, Frankreich und Japan. Eine weitere Anlage ist bereits fertig verpackt und wartet auf den Abtransport nach Russland.

Rund 40 Fertigungsanlagen liefert Desma jedes Jahr aus

„Ein typischer Kunde hat drei unserer Maschinen im Bestand und arbeitet schon länger mit uns zusammen“, sagt Decker. Diese Verbundenheit mit den Kunden ist ein wichtiger Teil der Firmenphilosophie. „Wir wollen uns mit ihnen weiterentwickeln und auch neue Projekte umsetzen“, betont er. Die besten Ergebnisse entstünden im Zusammenspiel mit Materiallieferanten und Kunden. Freese: „Wir liefern nicht einfach Maschinen, sondern lösen Probleme in den Schuhfabriken.“

So würden manche Hersteller zu kompliziert arbeiten oder zu viel Ausschuss produzieren, weiß Freese. „Wir können sie auf diese Schwachstellen hinweisen und Lösungen anbieten, beispielsweise auch, was Farben- und Formenvielfalt angeht oder an welchen Stellen Automatisierungslösungen hilfreich wären.“

Jede der rund 40 Anlagen, die Desma pro Jahr ausliefert, ist ein Einzelstück

Die Vielfalt der Maschinenvarianten sehen die Chefs als eine Stärke des Unternehmens an. Schließlich seien die Kunden in unterschiedlichsten Segmenten unterwegs, produzierten Sport-, Sicherheits- oder Freizeitschuhe.

Das hat seinen Preis, je nach Ausstattung und Größe kostet eine Anlage zwischen 500.000 und mehreren Millionen Euro. Damit liegen die Achimer am oberen Ende der Preisskala und sind sich dessen auch bewusst. „Wir stehen für Premiumqualität, die hat ihren Preis“, sagt Decker.

Inzwischen beliefert Desma, begünstigt durch den Trend zu lokal produzierten Waren, auch wieder verstärkt Kunden in Europa und Amerika. Hier sind lohnkostenbedingt stark automatisierte Anlagen gefragt. Aber nicht nur in Sachen Automatisierung ist man ganz vorn dabei, sondern auch bei neuen Verfahren wie 3-D-Druck oder innovativen Materialien.

Und während der Wettbewerb in der Regel nur Teilbereiche abdeckt, ist Desma breit aufgestellt: „Maschinen, Formenbau, Automatisierungstechnik – wir bieten alles aus einer Hand“, sagt Freese. Trotz der weiterhin andauernden Pandemie sehen die Maschinenbauer positiv in die Zukunft. Denn langfristig wachse die Weltbevölkerung und der Wohlstand nehme zu. Immer mehr Menschen werden also Schuhe nachfragen. Das bietet für die automatisierte Schuhproduktion noch große Potenziale.

Zudem weisen Freese und Decker auf einen weiteren Aspekt hin. „Die Automatisierung hilft vielen Kunden während der Pandemie, ihre Produktion aufrechtzuerhalten“, so Freese. Denn digitale Technologien können industrielle Produktionsprozesse sicherer und effizienter machen. Sie ermöglichen ferngesteuerte Arbeitsprozesse und tragen so zur Erhöhung der Mitarbeitersicherheit bei.

Industrie 4.0 ist hier längst gelebte Wirklichkeit

Neben dem anhaltenden Trend zur Automation werden sich nach Einschätzung der Desma-Geschäftsführer auch die Tätigkeiten der Menschen wandeln. „Die Anforderungen an die Mitarbeiter werden sich von einfachen Tätigkeiten hin zu komplexen Aufgaben verändern“, meint Decker.

Zudem werde sich die digitale Transformation von Arbeitsprozessen beschleunigen; Augmented Reality, Virtual Prototyping, 3-D-Druck, ferngesteuerte Produktionsüberwachung und auftragsgesteuerte, vernetzte Produktionen – kurz: Industrie 4.0 – sind hier die Schlagworte. „Wir sind inzwischen in alle diesen Themen eingearbeitet und investieren in Innovationen“, bilanziert Klaus Freese den erreichten Status quo. Die Zukunft kann also kommen.

Desma Schuhmaschinen

Die Firma wurde 1946 in Achim bei Bremen gegründet und gehört heute zum Salzgitter-Konzern. Sie baut mit über 200 Mitarbeitern Anlagen und Maschinen zur industriellen Schuhfertigung. Kerntechnologie ist die Direktansohlung, ein neues Wachstumsfeld die Automatisierungstechnik.

Heute wird etwa jedes zehnte der jährlich über 24 Milliarden produzierten Paar Schuhe hoch automatisiert hergestellt. Bekannte Marken wie Adidas, Ecco oder Uvex setzen auf Desma-Technik. Zur neuen „Fabrik der Zukunft“ gehören ein 12.000 Quadratmeter großer Produktionskomplex mit drei Hallenschiffen sowie ein dreigeschossiges Bürogebäude mit 4.500 Quadrat­meter Fläche.

Lothar Steckel
Autor

Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.

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