Tuttlingen. „Wir haben schon irgendwie Glück, dass wir heute leben“, sagt Andreas Dittes. Er ist verantwortlich für das firmeninterne Chirurgiemuseum „Asklepios“ der Aesculap AG. Und er weiß, was wir der modernen Chirurgie verdanken. Im Museum, das 2021 sein 20-jähriges Jubiläum feierte, kann man es erfahren – mit einer Mischung aus Grusel und Faszination. Noch vor 150 Jahren hieß Operation meistens schlicht Amputation – und zwar ohne Narkose, bei vollem Bewusstsein! Oft starb der Patient später, weil sich die Wunde infizierte.

Diese drei Errungenschaften machten die moderne Chirurgie möglich

Wie lange die OP-Kunst nicht vorankam, zeigen ein (nachgebautes) Instrumentenbesteck aus Pompeji und eins aus der Zeit ums Jahr 1700: Sie sind verblüffend ähnlich! Und das, obwohl Pompeji um 79 nach Christus im Ascheregen des Vesuvs untergegangen war. In den 17 Jahrhunderten danach hat sich also so gut wie nichts getan! Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts öffneten drei Errungenschaften den Weg zur modernen Chirurgie: Betäubung der Patienten, Desinfektion der Instrumente und zuletzt die Röntgenstrahlen. „Damit konnte man zum ersten Mal sehen, was im Körper los war, bevor man ihn öffnete“, erklärt Dittes.

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Die Geburtszange rettete vielen Babys und Müttern das Leben

In dieser Zeit, genauer im Jahr 1867, wurde in Tuttlingen auch die Chirurgiemechaniker-Werkstatt Jetter & Scheerer gegründet, die später zur Aesculap AG heranwuchs und heute unter anderem auf künstliche Gelenke spezialisiert ist. Diese Werkstatt war erfolgreich, weil sie als eine der ersten in Serie produzierte. Gefertigt wurde hier früher auch ein Gerät, das vielen Babys und Müttern das Leben rettete: die Geburtszange. Erfunden wurde sie im frühen 18. Jahrhundert, einige Exemplare sind im Museum ausgestellt. Die meisten Objekte stammen aus eigener Herstellung: Messer, Bohrer, Zangen, Scheren, Pinzetten, Schaber oder Wundspreizer.

Die ersten Zahnarztbohrer wurden mit einem Pedal angetrieben

Dazwischen finden sich auch einige Kuriositäten. Zum Beispiel die kleine Knochen-Kettensäge aus Würzburg von 1830, die sich allerdings nie durchsetzte. Oder der Zahnarztbohrer der Firma Biehler von 1885, der mechanisch mit einem Pedal angetrieben wurde, ähnlich wie die alten Nähmaschinen. Heute geht es doch um einiges effizienter!

Eine virtuelle Museumstour gibt es auf der Website des Chirurgie Museums Aesculap unter aesculap.de/rundgang-museum. Gruppen können – hoffentlich ab März wieder – einen Termin für eine Führung anfragen.

Ursula Wirtz
aktiv-Redakteurin

Als Mitglied der Stuttgarter aktiv-Redaktion berichtet Ursula Wirtz aus den Metall- und Elektrounternehmen in Baden-Württemberg sowie über Konjunktur- und Ratgeberthemen. Sie studierte Romanistik und Wirtschaftswissenschaften. Später stieg sie bei einem Fachzeitschriftenverlag für Haustechnik und Metall am Bau in den Journalismus ein. Neben dem Wirtschaftswachstum beobachtet sie am liebsten das Pflanzenwachstum in ihrem Garten.

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