München. Ein betrübliches Bild mit wenig Optimismus: So beschreiben derzeit die Finanzchefs deutscher Unternehmen die wirtschaftliche Lage. Das ergab der aktuelle CFO Survey der Unternehmensberatung Deloitte. Demnach erwarten die Befragten einen weiteren starken Rückgang ihrer Geschäfte. Kaum einer der abgefragten Parameter gibt Anlass zu kurzfristiger Hoffnung. Darüber sprach aktiv mit Dr. Alexander Börsch, Chefökonom und Leiter Research bei Deloitte.

Was sind derzeit die drängendsten Probleme der Unternehmen?

Aus unserer Sicht sind das vor allem die explodierenden Energiekosten, hohe Inflation und hohe Erzeugerpreise – sie lagen im September fast doppelt so hoch wie vor einem Jahr! Dazu kommen Unsicherheiten über die weitere wirtschaftliche Entwicklung und die Furcht vor Rezession. Der Fachkräftemangel ist ebenfalls ein Risiko. Und speziell für das Verarbeitende Gewerbe bleibt Geostrategie wichtig, das liegt am Krieg in der Ukraine, aber auch an der unsicheren Lage in China.

Wie gehen die Betriebe damit um?

Kostensenkungen haben für sie absolute Priorität, aber auch Investitionen bleiben wichtig. Wir sehen allerdings, dass etwa das Verarbeitende Gewerbe hier vorsichtiger wird. Über die Hälfte plant, aufgrund steigender Kosten weniger zu investieren. In der Automobilbranche und im Maschinenbau sollen sogar Beschäftigungspläne zurückgefahren werden.

Die große Mehrheit der Unternehmen erwartet zudem als Folge des Ukraine-Kriegs verstärkte Blockbildung in der Weltpolitik und zunehmende politische Hindernisse für internationalen Handel und Investitionen. Das führt dazu, dass Unternehmen, die ihren Umsatz vermehrt im Ausland erzielen, ihre Strategien stärker anpassen und genau schauen müssen, wo und wofür sie ihre Mittel einsetzen. Das gilt etwa für den Automobil- und Maschinenbausektor.

Sie sagen, Unternehmen investieren weniger. Warum ist das problematisch?

Es besteht definitiv eine Gefahr, dass an den falschen Stellen gespart und somit die Zukunftsfähigkeit gefährdet wird. Die großen Trends – Dekarbonisierung und demografischer Wandel vor allem – bleiben ja trotz Krieg und Unsicherheit intakt. Unternehmen müssen sich darauf vorbereiten. Ebenso wird die technologische Disruption voranschreiten. Wichtige Themen sind etwa Wasserstoff, künstliche Intelligenz und Quantencomputer. Unternehmen können es sich hier nicht leisten, nicht vorne dabei zu sein.

Wieso ist gerade in der Auto-Industrie und im Maschinenbau die Situation so schwierig?

Beide Branchen sind hoch internationalisiert und von Weltmärkten abhängig, sodass sie durch drei Dinge besonders betroffen sind: erstens politische Risiken, zweitens die Gefahr der Deglobalisierung und drittens nach wie vor unterbrochene Lieferketten. Zusätzlich leiden sie besonders unter den extrem steigenden Preisen für Energie und Rohstoffe. Entsprechend katastrophal sind auch die Aussichten für die Entwicklung der Margen.

Inwiefern sind da Lohnsteigerungen ein Problem?

Unternehmen stehen bereits an vielen Ecken vor Kostensteigerungen: durch Energiepreise, Inflation und unterbrochene Lieferketten. Stark steigende Löhne würden in dieser Situation viele Unternehmen noch zusätzlich belasten. Denn sie bedeuten eine dauerhafte, langfristige Mehrbelastung, während die Energiepreise voraussichtlich ab dem kommenden Sommer wieder zurückgehen dürften.

Welche Auswirkungen hätten weiter steigende Löhne auf Wirtschaft und Unternehmen?

Die hohe Inflation dürfte auch 2023 andauern. Dadurch sinken die Realeinkommen der Arbeitnehmer. Werden diese erhöht, besteht die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Sollte diese in Gang kommen, wäre die Inflation sehr schwierig zu bekämpfen. Zinsen würden steigen, was wiederum die Wirtschaft bremst und eine noch tiefere Rezession auslösen kann. Insofern ist eine feine Balance nötig, um die verlorene Kaufkraft zu kompensieren und zugleich die Wirkungen der Inflation im Blick zu behalten.

Alix Sauer
Leiterin aktiv-Redaktion Bayern

Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.

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