Berlin. Unsere Arbeitszeit und wie wir sie erfassen – das Thema beschäftigt uns alle fast täglich. Nun macht sich die Regierung daran, die Arbeitszeiterfassung zu regeln. Denn das Bundesarbeitsgericht urteilte jüngst: Arbeitgeber müssen ein System einführen, mit dem die Arbeitszeit der Mitarbeiter erfasst werden kann. Diese Linie hatte bereits 2019 der Europäische Gerichtshof vorgegeben. Kommt jetzt etwa die Stechuhr zurück? aktiv klärt diese und andere wichtige Fragen.

Was steht eigentlich alles im deutschen Arbeitszeitgesetz?

Es regelt insbesondere die höchstens zulässige Arbeitsdauer pro Tag sowie Pausen und Ruhezeiten, die man einhalten muss. Außerdem die Nacht- und Schichtarbeit sowie die Sonn- und Feiertagsruhe (nebst möglichen Abweichungen davon).

Ist das Gesetz für alle Unternehmen bindend?

Im Prinzip ja, aber das Gesetz lässt auch Ausnahmen zu. Unter anderem dürfen auch die Tarifvertragsparteien in begrenztem Umfang Abweichungen regeln, etwa zur Ruhezeit.

Pflicht zur Arbeitszeiterfassung: Was bedeutet das nun für mich?

Das ist noch offen, die Novellierung des Arbeitszeitgesetzes läuft gerade erst an, derzeit wird ein erster Entwurf innerhalb der Bundesregierung abgestimmt.  Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, eine Zeiterfassungspflicht zu gestalten. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall hatte dazu im Vorfeld drei Gutachten vorgelegt. Aus den Stellungnahmen der Experten geht zum Beispiel hervor, dass im vorgegebenen Rahmen auch den Beschäftigten die Erfassung ihrer Arbeitszeit übertragen werden kann. Sonst wäre mobiles Arbeiten auch gar nicht denkbar.

Noch mehr neue Bürokratie und eine Rückkehr zur Stechuhr-Mentalität gelte es auf jeden Fall zu verhindern, fordert der Verband. Gesamtmetall-Chef Stefan Wolf schildert: „Viele Beschäftigte wollen ihre Arbeit im Rahmen der betrieblichen Erfordernisse individuell und unbürokratisch organisieren, flexibler ausrichten, besser verteilen.“ 
Raum für Ausnahmeregelungen und Wahlfreiheit bei der Form der Erfassung seien bei einer Neuregelung besonders wichtig – um innovative Arbeitszeitmodelle nicht zu behindern. 

Geht es aktuell nur um die Zeiterfassung?

Nein. Mit der Novellierung ist die Chance verbunden, auch andere Punkte endlich zu modernisieren. Denn: Das Arbeitszeitgesetz engt die Menschen in der modernen Arbeitswelt zunehmend ein. Einige Vorgaben entsprechen weder den Wünschen der Beschäftigten noch den betrieblichen Erfordernissen.

Was konkret könnte verbessert werden?

Unter anderem die Regelung zur Ruhezeit zwischen zwei Arbeitstagen: Die muss bisher mindestens elf Stunden dauern – und das ohne Unterbrechung. Damit haben viele Beschäftigte ein Problem. Beispiel: Familienvater Michael Müller möchte möglichst früh Feierabend machen, um mit den Kindern spielen zu können, und dafür ab 21.30 Uhr noch eine Stunde im Homeoffice arbeiten. Dann dürfte er allerdings am nächsten Morgen erst um 9.30 Uhr anfangen – eben wegen der derzeit noch geltenden Elf-Stunden-Ruhezeit.

Was schlagen Arbeitgeberverbände vor?

Sie fordern im Zusammenhang mit der Regelung einer Arbeitszeiterfassung auch eine Reform des Arbeitszeitgesetzes hin zu mehr Flexibilität. Zum Beispiel auch bei der täglichen Höchstarbeitszeit: Aktuell dürfen Arbeitnehmer maximal zehn Stunden pro Tag arbeiten. Flexibler wäre eine Höchstarbeitszeit pro Woche, mit der Betriebe und Beschäftigte passend zur jeweiligen Situation die Zeit selbst auf die Wochentage verteilen können.

Arbeitszeit: Wer schummelt, fliegt

Besteht der dringende Verdacht, dass ein Beschäftigter die Erfassung seiner Arbeitszeit manipuliert, kann das Grund genug für eine Kündigung sein. Das zeigt ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (28.3.23, 5 Sa 128/22). In dem Fall ging es um den Mitarbeiter eines Jobcenters, der nur mit Zustimmung der Führungskraft im Homeoffice arbeiten durfte. Der Mann buchte sich zum Beispiel an einem Tag schon um 6:24 Uhr ins Zeiterfassungssystem ein, war dann aber erst ab 8:09 Uhr im Büro zu sehen. Aus Sicht der Richter „besteht der dringende Verdacht, dass er an mehreren Tagen frühmorgens Arbeitszeiten von zu Hause aus gebucht hat, ohne die Arbeit tatsächlich aufzunehmen“. Der Personalrat hatte keine Einwände gegen die Kündigung

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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