Jedem Arbeitnehmer sollte klar sein, dass man die Firma informieren muss, wenn man krank wird, und auch, wann man eine Krankschreibung vom Arzt braucht. Doch der Teufel steckt, wie so oft, im Detail. Michael Eckert, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Heidelberg und Vorsitzender des dortigen Anwaltsvereins gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Darf man bei jeder Erkrankung zu Hause bleiben?

Nein. Es gibt zahlreiche Erkrankungen, mit denen man trotzdem arbeiten kann. Entscheidend ist deshalb nicht, ob der Arbeitnehmer krank oder gesund ist, sondern vielmehr die Frage, ob er arbeitsfähig ist oder nicht. Der Arzt bescheinigt also nicht, dass man krank ist, sondern dass man aufgrund einer Erkrankung nicht arbeiten kann. Ob man arbeitsfähig ist oder nicht, hängt nicht nur von der Krankheit selbst, sondern auch vom Beruf ab. Wenn beispielsweise eine kleine, schlecht heilende Wunde an der Hand 14 Tage lang nicht nass werden darf, müsste ein Sachbearbeiter mit einem Schreibtischjob am Arbeitsplatz erscheinen, ein Koch oder ein Friseur dagegen nicht.

Wann muss ich das Unternehmen über meine Erkrankung informieren?

Laut Gesetz muss die Arbeitsunfähigkeit „unverzüglich“, also ohne schuldhaftes Verzögern, gemeldet werden. Im Zeitalter von Smartphone und Internet muss man den Arbeitgeber folglich umgehend informieren, sobald klar ist, dass man krankheitsbedingt nicht am Arbeitsplatz erscheinen kann.

Übrigens: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat Mitte Juni aufgrund der Corona-Pandemie nochmals die Sonderregelung zur telefonischen Krankschreibung um drei Monate bis zum 30. September 2021 verlängert. Versicherte, die an leichten Atemwegserkrankungen leiden, können sich bis dahin weiterhin telefonisch bis zu sieben Tage krankschreiben lassen. Der G-BA ist das Beschlussgremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Er bestimmt unter anderem, welche medizinischen Leistungen die 73 Millionen Versicherten beanspruchen können.

Wie muss ich das Unternehmen informieren?

Dazu gibt es keine gesetzlichen Vorgaben. Eine Krankmeldung ist grundsätzlich telefonisch, per E-Mail, per SMS oder per Whatsapp möglich. Gibt es dazu im Unternehmen spezielle Regelungen, beispielsweise dass es Krankmeldungen per SMS nicht akzeptiert, muss man sich natürlich daran halten.

Wen muss ich über meine Erkrankung informieren?

Es reicht nicht, irgendeinem Kollegen Bescheid zu geben. Der Beschäftigte muss vielmehr die Person informieren, die das Unternehmen dafür als Ansprechpartner bestimmt hat. In vielen Fällen ist das der direkte Vorgesetzte.

Wann muss ich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt vorlegen?

Laut Gesetz muss man bei einer Erkrankung, die länger als drei Tage dauert, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt vorlegen. Dabei geht es nach Kalendertagen, das Wochenende oder Feiertage zählen also mit. Der Arbeitgeber kann ein solches Attest aber auch bereits ab dem ersten Erkrankungstag verlangen.

Der Chef kann auch anordnen, dass einzelne Mitarbeiter bereits ab dem ersten Krankheitstag ein Attest vorlegen müssen, obwohl alle anderen erst ab dem dritten Tag eine Krankschreibung benötigen. So etwas geschieht in der Praxis meist dann, wenn ein Arbeitnehmer überdurchschnittlich häufig nur für einen oder zwei Tage erkrankt oder sich oft an einem Montag, einem Freitag oder an Brückentagen krank meldet.

Lesen Sie dazu auch auf aktiv-online.de, warum man die Krankschreibung bei der Krankenkasse abgeben sollte.

Welche Konsequenzen drohen, wenn ich kein Attest vom Arzt vorlege?

Wenn man sich krank meldet, ohne ordnungsgemäß die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt einzureichen, gilt das als unentschuldigtes Fehlen. Der Arbeitgeber darf abmahnen, was im Wiederholungsfall auch zu einer Kündigung führen kann. Außerdem muss das Unternehmen für diese Zeit kein Arbeitsentgelt zahlen, darf also das Gehalt entsprechend kürzen.

Wie viel Geld erhalte ich bei längeren Erkrankungen?

In den ersten sechs Wochen der Erkrankung zahlt das Unternehmen die sogenannte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Das Gehalt wird also in der üblichen Höhe weiter gezahlt. Bei gesetzlich Versicherten zahlt anschließend die Krankenkasse das niedrigere Krankengeld. Im Regelfall beträgt das Krankengeld 70 Prozent des zuvor erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt. Das heißt, dass auch Einmalzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld in die Berechnung dieses Bruttoeinkommens eingehen. Mehr als 90 Prozent des erzielten Nettoarbeitsentgeltes werden aber auf keinen Fall ausgezahlt. Bei Privatpatienten gelten Regelungen des individuellen Versicherungsvertrags.

Was gilt bei mehreren Erkrankungen nacheinander?

Handelt es sich um unterschiedliche Erkrankungen, beginnt auch die Sechs-Wochen-Frist für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall jedes Mal wieder neu. Bedingung ist aber, dass die „erste“ Erkrankung bei Beginn der „zweiten“ bereits ausgeheilt war. Liegt der Arbeitnehmer beispielsweise zuerst zwei Wochen mit einem schweren Infekt im Bett und bricht sich anschließend den Arm, gibt es also insgesamt acht Wochen lang Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und erst danach das geringere Krankengeld.

Was gilt, wenn ich im Urlaub erkranke?

Grundsätzlich braucht man für Erkrankungen im Urlaub ab dem ersten Krankheitstag ein Attest vom Arzt, das ausdrücklich die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Eine Bescheinigung über eine Erkrankung reicht in der Regel nicht aus. Urlaubstage, die wegen Arbeitsunfähigkeit ausgefallen sind, darf man nachholen. Der Beschäftigte darf seine Ferien aber nicht einfach eigenmächtig um die entsprechende Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage verlängern, der Urlaub endet zum geplanten Termin. Für die nachzuholenden Ferientage muss man dann erneut Urlaub beantragen.

Darf der Chef mich nach Hause schicken, wenn ich krank zur Arbeit gehe?

Ja, ist ein Arbeitnehmer ganz offensichtlich nicht arbeitsfähig, darf und muss der Vorgesetzte ihn nach Hause schicken. Das Unternehmen hat nämlich eine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beschäftigten und dazu gehört zum einen, dass offensichtlich erkrankte Arbeitnehmer nicht weiter arbeiten dürfen und zum anderen, dass gegebenenfalls die anderen Kollegen vor einer möglichen Ansteckung geschützt werden.

Darf mir der Chef wegen meiner Erkrankung neue Aufgaben zuweisen?

Wer arbeitsunfähig erkrankt ist, muss natürlich überhaupt nicht arbeiten. Ist das nicht der Fall, ist man also trotz der Erkrankung arbeitsfähig, muss man am Arbeitsplatz erscheinen. Dann hat der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechts die Möglichkeit, die Aufgaben neu zu verteilen. Er kann also beispielsweise einem Arbeitnehmer, der krankheitsbedingt nicht lange stehen darf, einen zumutbaren Schreibtischjob zuweisen. Selbstverständlich muss dies aber im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen geschehen. Das Unternehmen dürfte also beispielsweise nicht verlangen, dass ein Ingenieur nun als Pförtner arbeitet.

Welche Strafen drohen, wenn ich mich krank melde, obwohl ich es nicht bin?

Krankfeiern ist kein Kavaliersdelikt, sondern Betrug. Schon der Versuch ist strafbar. Es drohen im schlimmsten Fall sogar Gefängnis oder Geldstrafen. Außerdem muss man auch mit einer Kündigung rechnen.

Silke Becker
Autorin

Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.

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