Welch ein Ergebnis: 100 Prozent für Martin Schulz! Die Delegierten haben dem neuen SPD-Chef und Kanzlerkandidaten ein beeindruckendes Mandat gegeben. Die Euphorie spiegelt sich auch in den Umfragen: Schulz ist ein unverbrauchtes Gesicht im Politikbetrieb. Er wird als Repräsentant einer frischeren Nicht-Regierungs-SPD wahrgenommen.

Damit gelingt es ihm, sowohl enttäuschte SPD-Mitglieder zurückzugewinnen als auch SPD-affine Wechselwähler zu mobilisieren. Wie lange dieser Schwung hält, wird sich zeigen. Am Ende müssen sich alle Bewerber um das Kanzleramt nicht an Stimmungen, sondern an Inhalten messen lassen.

Und da hat Schulz wenig zu bieten, was die Betriebe und ihre Belegschaften vorwärtsbringt: Statt eine „Agenda 2030“ zu entwerfen, diskutieren die Genossen immer noch über die – schon 2003 beschlossene – „Agenda 2010“. Die Anstrengungen, die Deutschland vom „kranken Mann“ zum Stabilitätsanker Europas gemacht und uns Rekordbeschäftigung und Rekordsteuereinnahmen beschert haben, sollen wieder zurückgenommen werden. Statt die Arbeitsplätze zukunftsfest zu machen und durch flexiblere Regelungen für die Digitalisierung zu rüsten, will Schulz die Menschen durch ein längeres Arbeitslosengeld in die Frühverrentung abschieben oder sie in praxisfernen Qualifizierungsmaßnahmen parken.

Mit dieser rückwärtsgewandten Politik reagiert der SPD-Politiker vielleicht auf die Gefühlslage vieler Menschen. Er nimmt aber nicht die die Herausforderungen an, denen sich unsere Betriebe und ihre Beschäftigten in den nächsten Jahren stellen müssen.

IG Metall und Nordmetall brauchen keine Nachhilfe aus Würselen oder Berlin

Darüber nachzudenken, was unsere Arbeitsplätze in unsicheren Zeiten wetterfest macht, wäre die richtige Aufgabe für einen Kanzlerkandidaten, der in Deutschland das Steuer übernehmen will. Sein Ruf nach höheren Löhnen ist dagegen so plump wie unlauter: Über höhere Löhne verhandeln Arbeitgeber und Gewerkschaften in der nächsten Tarifrunde. IG Metall und Nordmetall brauchen hier keine Nachhilfe – nicht aus Würselen und nicht aus Berlin.