Optimismus war die Vorgabe der Kanzlerin in der Hoch-Zeit des Flüchtlingszustroms. Ihr Satz „Wir schaffen das!“ war Prognose und Appell zugleich. Inzwischen ist Realismus eingekehrt: Zu sperrig sind manche Integrationsprobleme, zu langsam mahlen die Räderwerke vieler bürokratischer Mühlen, zu sehr hat sich die Stimmung im Land verändert.

„Wir schaffen das!“ Die Arbeitgeber der Metall- und Elektro-Industrie im Norden haben sich dieses Ziel schon 2008 gesetzt. Und zwar, um jungen Menschen mit schwächeren Schulabschlüssen eine Chance auf Ausbildung und Aufstieg zu ermöglichen. Unter ihnen finden sich nicht wenige mit Migrationshintergrund, wie Sie in unserer Reportage über das Projekt „Nordchance“ lesen können.

Das Motto „Kein Abschluss ohne Anschluss“ war uns von Bremen bis Kiel, in relevanten Industrieregionen zwischen Nordwest-Niedersachsen und Ostvorpommern von Anfang an Antrieb, um Ausbildungsreife zu fördern. Weil wir wissen, dass viele Migrationsgeschichten keinen fruchtbaren Nährboden für gute Deutschkenntnisse bieten. Weil auch alteingesessene Familien aus Norddeutschland ihre Töchter und Söhne bisweilen mit schulischen Problemen allein lassen. Weil mancher Jugendliche mehr Zeit braucht, um die Kurve vom Durchhängen zum Dranbleiben zu kriegen. Und weil nicht jedes magere Zeugnis ein faires Abbild liefert.

Beharrlichkeit und Bildungshunger sind keine Sekundärtugenden von gestern

Der lange Atem lohnt sich: Gut drei Viertel derjenigen, die das Projekt Nordchance absolviert haben, konnten nach durchlaufenen Betriebspraktika plus Zusatzunterricht erfolgreich in eine Ausbildung vermittelt werden. Und die Resonanz aus den Personalabteilungen in den Betrieben ist durchweg positiv.

Und darauf sind wir mit unseren Nordchance-Absolventen ein wenig stolz. Denn es zeigt sich: Beharrlichkeit und Bildungshunger sind keine Sekundärtugenden von gestern, sondern der Schlüssel für eine gute Zukunft – schon jetzt und erst recht in der sich rasend schnell verändernden Arbeitswelt der „Industrie 4.0“. Sie sehen: „Wir schaffen das!“ bleibt ein Ansage, eine optimistische und realistische.