Herford. Sie ist eher der stille Typ. Auf Fragen antwortet Vanessa Busse mit Bedacht. Lässt sich Zeit mit dem, was sie sagen will. Bei einer Sache jedoch kommt ihre Stimme laut und deutlich rüber: „Ich habe meinen Traum zum Beruf gemacht.“ Die 21-Jährige ist Modeschneiderin – eine Wahl, von der sie 100-prozentig überzeugt ist.

In diesem Job arbeitet sie seit Sommer letzten Jahres bei der Modemarke Brax in Herford. „Zurzeit bin ich in der Abnahme und kontrolliere fertige Ware“, erklärt Busse. Sie inspiziert Nähte an Bund und Bein oder forscht nach Flecken im Stoff. Und prüft Etiketten sowie Bundaufstecker, auf denen Größe und Namen des Textils gedruckt sind.

Berufsstart klappte erst im zweiten Anlauf

Busse und Brax – diese Verbindung beginnt im Sommer 2014. „Ich habe mich hier als Modeschneiderin beworben, wurde aber abgelehnt.“ Für die gebürtige Bielefelderin kein Grund aufzugeben. Mit dem Hauptschulabschluss in der Tasche überbrückte sie die Zeit bis zur nächsten Bewerbungsrunde mit einem Berufsgrundschuljahr in Bielefeld – passenderweise in der Fachrichtung Bekleidungstechnik. „Damit konnte ich meinen Schulabschluss und meine Chancen auf einen Ausbildungsplatz verbessern.“

Busses Hartnäckigkeit wurde belohnt. 2015 begann sie, mit einem Realschulabschluss ausgestattet, die Ausbildung zur Modenäherin bei Brax und verlängerte um ein Jahr zur Modeschneiderin. Doch trotz Vorwissens aus der Schule und mancher Fähigkeit, die sie sich schon selbst an ihrer eigenen Nähmaschine zu Hause beigebracht hatte: Die Ausbildung war bei Weitem kein Selbstläufer. „Wegen einer leichten Behinderung lerne ich langsamer als andere. Deshalb war es am Anfang für mich schwer, mitzukommen. Aber ich habe nicht lockergelassen.“

Ehrgeiz und Ausdauer: Dafür gab es den NEXT-Sonderpreis 2017

Unterstützung bekam sie von zu Hause, und auch im Betrieb stand man ihr immer zur Seite. „Ich konnte alle immer fragen oder um Hilfe bitten. Man muss sich das nur trauen und den Mund aufmachen“, rät Busse. Schließlich sei man ja in der Ausbildung. Das gute Gefühl, Unterstützung zu haben, gibt die junge Frau gern weiter. So engagiert sich die gläubige Christin regelmäßig in ihrer frei-evangelischen Gemeinde und betreut dort Kinder während des sonntäglichen Gottesdienstes. „Aus meinem Glauben ziehe ich viel Stärke. Das war auch in der Ausbildung oft so, wenn es mal nicht so gut geklappt hat.“

Helfen, sich kümmern und bei Fehlschlägen dennoch weitermachen – das ist für Busse eine Selbstverständlichkeit. Das sind Eigenschaften, die der Jury des letztjährigen Next-Nachwuchspreises sogar der Sonderpreis für persönliche Entwicklung wert war. „Damit habe ich wirklich keine Sekunde gerechnet“, sagt Busse heute.

Mit dem Preisgeld eine Woche Hamburg gegönnt

Mit dem Wettbewerb zeichnet die Initiative Textil & Mode NRW (ZiTex) junge Nachwuchskräfte aus der Textilbranche aus. Die Hobbyfotografin gönnte sich mit dem Preisgeld im Sommer einen einwöchigen Besuch in Hamburg – passend zur bestandenen Abschlussprüfung.

Nach dem Lernstress der letzten Monate kann sie jetzt wieder kräftig auf den Auslöser ihrer Kamera drücken. „Während der Ausbildung war kaum Zeit fürs Fotografieren“, bedauert Busse. Auf Instagram postet sie neuerdings Landschafts- und Detailfotos, die sie mit ihrer Panasonic Lumex einfängt.

Was ihr Hobby angeht, hat sich die 21-jährige Moderschneiderin für dieses Jahr ein besonders ehrgeiziges Projekt vorgenommen. „Ich suche Leute, die sich von mir porträtieren lassen wollen.“ Erste Interessenten haben sich auf ihrem Account schon gemeldet. Darunter auch eine ehemalige Schulkameradin mit ihrer Familie.

Busses Plan nimmt so langsam Gestalt an – erste Termine sind schon geplant: „Mit meiner Schulkameradin will ich mich im Frühjahr für ein Fotoshooting treffen.“ 

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Als Kind habe ich mit dem Nähen angefangen. Meine Oma hat mir viel gezeigt, und in der Schulzeit habe ich mir eine eigene Nähmaschine gekauft.

Was reizt Sie am meisten?

Die Stoffe zu fühlen und zu sehen, wie aus einzelnen Stücken Hosen, Blusen oder Jacken werden.

Worauf kommt es an?

Wenn es nicht so klappt, weiterzumachen und den Mut zu haben, bei Problemen um Hilfe zu bitten. Meine Erfahrung: Die meisten Kollegen helfen gern.

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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