Der Dreiteiler „Zurück in die Zukunft“ zählt zu den größten Kino-Hits der 80er-Jahre. Besonders beeindruckt waren die Zuschauer von den technischen Gadgets, die es dort zu sehen gab: Zeitreisende Autos, schwebende Skateboards, intelligente Brillen – und natürlich die futuristischen Schuhe, die Marty McFly im zweiten Teil trägt. Smarte Sneaker, die sich selbst zuschnüren. Wow!

Ganz so weit ist man bei dem niedersächsischen Schuhmaschinen-Spezialisten Desma noch nicht, aber auch hier wird eifrig an der Zukunft gearbeitet. Es geht um Modelle wie den Konzeptschuh, den Anwendungstechniker Nico Hack gerade auf dem Tisch hat.

Auf den ersten Blick ist es ein ganz normaler Schuh: schwarzer Schaft, gelbe Zwischensohle, blaue Laufsohle. Doch er hat es in sich: Die Zwischensohle wurde nach einem Fußabdruck designt, der zuvor im Stehen und beim Gehen gescannt wurde. Zudem ist sie in drei Zonen mit unterschiedlichen Härten unterteilt. Und nicht nur das: Auch die Farben für den Schuh sind individuell vom Träger ausgewählt.

Noch ist der Schuh kein Serienmodell, doch er zeigt, wohin die Reise geht. Hack: „Wir wollen den Herstellern ermöglichen, genau den Sport-, Medizin- oder Sicherheitsschuh zu produzieren, den der Kunde will.“

Intelligente Fertigung für schnellere Produktion

Produkte im Rahmen von Massenproduktion individuell auf der Basis von Kundendaten zu fertigen, ist ein Merkmal der vierten industriellen Revolution, kurz: Industrie 4.0. Der Begriff meint die „intelligente Fabrik“, in der alle Einheiten miteinander verbunden und Prozesse flexibel steuerbar sind.

Die Vorteile der Vernetzung wurden bei Desma früh erkannt. „Die Branche will schneller, einfacher und günstiger fertigen“, sagt Geschäftsführer Klaus Freese. „Und wir entwickeln die Maschinen dafür.“

Sein Unternehmen stellte den Schuhmaschinen bereits Ende der 80er-Jahre Roboter zur Seite. Danach integrierte man Anlagen und Roboter in ein Netzwerk und schuf einheitliche Schnittstellen, damit sie miteinander „reden“ und Daten austauschen können.Freese: „Von Industrie 4.0 war damals noch keine Rede. Wir hatten einfach den Drang, technisch besser zu werden.“

Trends in der Schuh-Industrie hat das Achimer Unternehmen in seiner 70-jährigen Firmengeschichte immer wieder gesetzt. Anfangs wurden Sohlen noch aus Gummimatten ausgeschnitten, bearbeitet und an den Schaft angepasst – ein aufwendiger Vorgang mit bis zu 37 Schritten. „Wir haben eine Vulkanisierpresse entwickelt, die Sohle und Schaft direkt verbindet – in wenigen Minuten. Das war eine Sensation“, sagt Freese, der 1976 als Schlosserlehrling bei Desma anfing.

Über die Jahre wurde diese „Direktansohlung“ immer weiter optimiert, und mittlerweile werden von den jährlich 24 Milliarden Schuhen, die weltweit über den Ladentisch gehen, rund 10 Prozent so gefertigt. „Wir agieren in der Nische einer Nische, doch da sind wir Weltmarktführer“, sagt Freese stolz.

Weil Wachstum hier allerdings nur bedingt möglich ist, streckte der Maschinenbauer seine Fühler früh in die manuelle Ansohlung aus, also in die anderen 90 Prozent des Markts. Dort setzt man heute immer häufiger auf Robotertechnik.

Rund 1.300 Roboter haben die Desma-Ingenieure bereits mit Software und Werkzeugen „aufgerüstet“ und an Firmen wie Adidas, Ecco oder Gabor verkauft. Ein Chip im Leisten des Schuhs enthält alle Produkt- und Prozessdaten und steuert die weiteren Arbeitsschritte.

Sehr niedrige Fluktuation in der Belegschaft

In Kombination mit einem Rundtisch und Förderbändern ermöglichen die Roboter verschiedene Automatisierungsgrade. Für China, wo nach wie vor die größten Hersteller sitzen, spielt das eine wichtige Rolle. Ausländische Investoren, die hier für den Export fertigen, fragen einfache Anlagen nach. Chinesische Firmen, die die wachsende Nachfrage im Land nach hochwertigen Schuhen bedienen, setzen auf Vollautomatisierung.

Jede der 40 Direktansohlungs-Anlagen, die Achim jährlich verlassen, ist ein Einzelstück. Je nach Größe und Ausstattung kostet eine Anlage zwischen 500.000 und 3 Millionen Euro. 95 Prozent davon werden exportiert, auf alle Kontinente.

Durch den Trend, Schuhe wieder dort zu fertigen, wo sie gekauft werden, beliefert Desma seit einiger Zeit verstärkt Europa und die USA. Hier sind lohnkostenbedingt stark automatisierte Anlagen gefragt. Aber nicht nur in Sachen Automatisierung ist Desma vorn dabei, sondern auch bei neuen Produktionsverfahren wie 3-D-Druck, der für Prototypen eingesetzt wird.

Während die Wettbewerber nur Teilbereiche abdecken, ist Desma breit aufgestellt: „Maschinen, Automatisierungstechnik, Formenbau – wir bieten alles aus einer Hand. Das ist ein bedeutender Wettbewerbsvorteil“, sagt Freese.

Neben dieser Vielfalt sind es natürlich auch die Mitarbeiter, die den Erfolg der Firma ausmachen. Das Betriebsklima gilt als sehr gut, die Fluktuation ist gering. Insgesamt beschäftigt Desma rund 230 Personen.

Einige von ihnen werden in diesen Tagen gespannt in die USA schauen, denn dort kam gerade ein spezieller Schuh auf den Markt. Der „Hyper- Adapt 1.0“ ist mit Sensoren bestückt, die merken, wenn ein Fuß hineinschlüpft – dann wird der Schuh automatisch zugeschnürt, ganz wie in „Zurück in die Zukunft“.

Wer den Sneaker kaufen will, muss allerdings viel Glück haben. Das Modell wird nur in einer minimalen Auflage produziert.

Begegnung mit …

Foto: Augustin
Foto: Augustin

Adrian Strauß: Technik von morgen im Blick

Noch bevor neue Maschinen oder Verfahren reif für den Markt sind, beschäftigt sich Adrian Strauß damit. Der Ingenieur für Verfahrens- und Kunststofftechnik leitet das Technikum von Desma. Dort testen er und sein siebenköpfiges Team die Technik von morgen auf Herz und Nieren. „Wir setzen nicht nur die Wünsche der Kunden um, sondern geben ihnen auch Impulse und zeigen, was möglich ist“, sagt er.

Wie beim Konzeptschuh. Seine Sohle hat drei verschieden stark gedämpfte Zonen. Um das zu schaffen, muss die Rezeptur des Polyurethan-Schaums verändert werden, während er in die Form gespritzt wird. „Als das klappte, war es ein echter Wow-Effekt“, strahlt der 32-Jährige.

Damit er den Kopf wieder frei kriegt, geht Strauß regelmäßig zum Judo-Training. Früher nahm er auch an Wettkämpfen teil, heute bildet er den Nachwuchs aus. „Das bringt mehr Spaß, und das Verletzungsrisiko ist geringer.“

Mein Job

Wie kamen Sie zu Ihrem Job?

Nach der Schule wollte ich Schlosser oder Verfahrenstechniker lernen. Als ich in einer Lehrwerkstatt gesehen habe, wie vielfältig Kunststoff ist, wählte ich Verfahrenstechnik.

Was gefällt Ihnen besonders?

Es gibt immer wieder neue Herausforderungen. Und ich erlebe hautnah die Begeisterung der Kunden.

Worauf kommt es an?

Man muss technisch fit sein und darf erst mal nichts ausschließen. Auch keine alten Lösungen für neue Probleme.