Ostfildern. Mag ja sein, dass viele am Feierabend Rad fahren oder ins Kino gehen, doch Jürgen Busch, 54, hat etwas anderes vor. Ob manche ihn für verrückt erklären, ist ihm egal. Wenn er mit seiner Arbeit bei Festo in Ostfildern fertig ist, drückt er wieder die Schulbank, um den Meister zu machen. „Das wollte ich schon immer“, erzählt er, „wenn nicht jetzt, wann dann?“

Zweimal die Woche sitzt Busch abends in seinem berufsbegleitenden Prüfungsvorbereitungskurs für den „Industriemeister Metall“. Und den ganzen Samstag! Als Ältester von 22 Gleichgesinnten. Wenn draußen die Sonne lacht, schwänzen schon mal ein paar Schüler, aber Busch fehlt praktisch nie. Zwei Jahre lang dauert die Herausforderung. „Es macht mir sogar Spaß“, sagt er. „Weil ich es für mich mache!“

So wie er denken in Baden-Württemberg offenbar besonders viele Beschäftigte. Denn das Bundesland ist Spitzenreiter in der Weiterbildungsbeteiligung. Das geht aus dem aktuellen Deutschen Weiterbildungsatlas 2018 der Bertelsmann-Stiftung hervor. Festo-Mitarbeiter Busch hat durch seinen Ehrgeiz im Berufsleben ganz neue Perspektiven bekommen. 

„Ich wollte nicht bis zur Rente immer das Gleiche machen“

Seit 1995 arbeitet er schon im Betrieb, zuletzt neun Jahre lang als Vorarbeiter. „Ich wollte einfach nicht bis zur Rente immer das Gleiche machen“, erklärt er. Deshalb hat er sich auf eine ausgeschriebene Stelle als Leistungseinheitenverantwortlicher beworben. Er konnte sich im Bewerbungsprozess durchsetzen – unter der Voraussetzung, dass er sich zum Meister weiterbildet. Nun leitet er die Fertigung von Ventilgehäusen in der Technologiefabrik Scharnhausen, wo insgesamt 1.700 Leute arbeiten.

Bei Festo hat Weiterbildung einen sehr hohen Stellenwert

Bei dem Technologiekonzern hat Qualifizierung einen sehr hohen Stellenwert. Yvonne Bucher, Personalverantwortliche in der Technologiefabrik, erklärt warum: „Die ständige Weiterentwicklung technischer Möglichkeiten ist das Erfolgsrezept von Festo.“ Daher sei für das Unternehmen auch die Förderung in der technischen Bildung „eine zentrale Aufgabe“.

Der angehende Industriemeister Busch führt schon seit Mitte 2017 ein Team mit 26 Mitarbeitern in dem hochmodernen Werk, das sogar schon mal Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel bekam. Noch bevor er überhaupt den Meistertitel hat, darf er bei Festo also richtig loslegen und Verantwortung übernehmen. Er steht inmitten von Maschinen und Robotern und erzählt: „Wir fertigen pro Tag etwa 24.000 Ventilgehäuse, an zwölf Anlagen, die großteils hoch automatisiert sind.“

Diese Ventilgehäuse werden überall gebraucht, wo produziert wird, als Steuerungskomponenten etwa in der Auto-, Lebensmittel- oder Verpackungsindustrie. Für Busch ist das eine spannende Aufgabe, da lohnt sich alle Anstrengung.

„Am Anfang war es oft hart“

Überhaupt sei die Zeit in seiner Lebensphase ideal, um wieder Neues zu lernen. Denn: Früher hätte er sowieso keine Zeit dafür gehabt. Da war sein Sohn noch klein. Papa Busch wurde zu Hause gebraucht und engagierte sich auch noch als Fußballtrainer.

Den Großteil seiner Weiterbildung hat Busch nun schon hinter sich. „Am Anfang war es oft hart“, erzählt er, „weil man viele Grundlagen lernen musste, in Fächern wie Physik, Chemie, Statistik.“ Doch irgendwann lief es viel leichter. Gerade deshalb, weil er schon ein alter Hase im Arbeitsleben ist. „Man hat im zweiten Jahr konkretere Fächer wie Fertigungstechnik und Personalführung“, schildert er. Da habe er nach 30 Berufsjahren eben schon reichlich Erfahrung.

Jetzt kommt der Endspurt, Busch steckt mitten in der Prüfungsphase und strahlt jetzt schon wie der Sieger eines Marathons. „Ich habe mir bewiesen, dass ich nicht zu alt bin zum Lernen. Das ist ein schönes Gefühl.“

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Schon als Kind hat mich Technik fasziniert, da habe ich zum Beispiel aus Lego- oder Fischertechnik Schiffe und Flugzeuge gebaut.

Was reizt Sie am meisten?

Der Umgang mit meinen Mitarbeitern, oder generell mit Menschen! Deshalb war ich auch lange Fußballtrainer.

Worauf kommt es an?

Auf die Qualität der Ventilgehäuse, die wir fertigen. Sie muss höchsten Ansprüchen genügen.

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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