Waldachtal/Denzlingen. Das Pferd steht in einer Ecke der Halle – und interessiert sich null für ihn. Pirmin Meier seufzt. Er soll erreichen, dass es ihm folgt! „Das war nicht einfach“, erzählt der 28-Jährige Industriemeister später lachend, als er ein Video von der Situation zeigt. „Ich brauchte wahnsinnig viel Geduld.“

Die Bekanntschaft mit dem Tier war sozusagen beruflich bedingt: Hingeschickt hat ihn sein Arbeitgeber, der Dübel-Spezialist Fischer mit Hauptsitz in Waldachtal (Schwarzwald). Die Unternehmensgruppe mit weltweit rund 5.000 Mitarbeitern schult Führungskräfte tatsächlich mit Pferden!

Weiterbildung: in der deutschen Wirtschaft ein riesiges Thema. Mehr als 33 Milliarden Euro geben die Betriebe dafür im Jahr aus, so eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft. Weitergebildet wird auf vielen verschiedenen Wegen. Und bei Fischer eben auch auf einer Koppel.

Das Seminar leitet ein Psychologe

Zwei Tage lang sammelten Meier und fünf Kollegen da ganz ungewohnte Erfahrungen. Der Psychologe Heinz Welz zeigte ihnen, wie man mit Geduld und der richtigen Ansprache erreicht, dass man von einem Pferd als Anführer akzeptiert wird. „Wir haben durch den Umgang mit dem Pferd auch viel über unseren eigenen Charakter gelernt“, erzählt Meier.

Die Idee kommt von Katharina Schäfer. Sie leitet den Geschäftsbereich Change Management bei Fischer Consulting – der firmeneigenen Prozessberatung, die Abläufe im eigenen Haus und auch in anderen Unternehmen verbessert. Im Change Management dreht sich alles um die optimale Schulung der Mitarbeiter. Sie sind der Schlüssel bei der Gestaltung von Veränderungsprozessen. „Früher haben wir vor allem Prozesse, Daten und Fakten verbessert“, erklärt Schäfer. „Heute legen wir den Fokus viel stärker auf die Menschen dahinter. Sie sind unser wichtigstes Gut.“

Führungskräfte haben eine Schlüsselrolle. Sie müssen Vertrauen aufbauen und motivieren, ohne Vorurteile. „Wir suchten etwas, womit wir ihnen einen Spiegel vorhalten können“, beschreibt Projektleiterin Schäfer. „Ob jemand gute Leistungen bringt, hängt eben auch damit zusammen, wie sein Chef mit ihm umgeht.“ So ist Schäfer auf Pferde gekommen: „Ihr Verhalten hängt immer davon ab, wie man selbst agiert“, erklärt sie. Natürlich gehe es nicht darum, Mitarbeiter mit Tieren zu vergleichen – doch mit Pferden als Gegenüber könne man viel über sich selbst und seinen Umgang mit anderen lernen. Zum Beispiel, dass man mit Einfühlungsvermögen mehr erreicht als mit Druck.

Körpersprache ist wichtig. Auch im Betrieb

Pirmin Meier, der diese ungewöhnliche Fortbildung absolviert hat, ist als Fertigungslinienleiter für 15 Mitarbeiter verantwortlich. Sein Team produziert Kartuschen mit Zwei-Komponenten-Kleber. Damit werden etwa Bahnschwellen einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in China befestigt, Fassadenteile an Wolkenkratzern in Dubai und Lüfter an der Decke des Gotthard-Tunnels.

Was Meier mitgenommen hat? „Zum Beispiel, dass die Leistung von Kollegen entscheidend davon abhängt, wie man sie motiviert“, erzählt er. „Auch die Körpersprache ist da sehr wichtig.“

Sein Pferd übrigens trabte schließlich ohne Leine im Kreis um ihn herum. Aber nur, solange er mit Körperspannung selbst Konzentration signalisierte. Dass das Tier ihm am Ende fast blind folgte, hat bei Meier Eindruck hinterlassen: „Das Erlebnis werde ich so schnell nicht vergessen.“

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Ich habe schon immer gern Verantwortung übernommen, deshalb habe ich nach der Ausbildung noch die Meisterschule gemacht und bin jetzt Industriemeister Metall.

Was reizt Sie am meisten?

Dass es jeden Tag neue Aufgaben gibt und der Tag nicht immer nach „Schema F“ abläuft.

Worauf kommt es an?

Auf das Miteinander! Ich komme ohne meine Leute nicht weiter und sie nicht ohne mich. Man muss an einem Strang ziehen.

Barbara Auer
aktiv-Redakteurin

Barbara Auer berichtet aus der aktiv-Redaktion Stuttgart vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie Baden-Württembergs – auch gerne mal mit der Videokamera. Nach dem Studium der Sozialwissenschaft mit Schwerpunkt Volkswirtschaftslehre volontierte sie beim „Münchner Merkur“. Wenn Barbara nicht für aktiv im Einsatz ist, streift sie am liebsten durch Wiesen und Wälder – und fotografiert und filmt dabei, von der Blume bis zur Landschaft.

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