Mönchengladbach. Der Service-Techniker braucht jetzt den Chef und eilt auf Thomas Döring zu: „Wir müssen in den Serverraum, um den Internetanschluss zu prüfen.“ Da kann Döring, Leiter der Anfang September eröffneten Textilakademie, schnell helfen.

Er vermittelt den jungen Mann an den IT-Spezialisten der Akademie. „Diese Unterstützung ist ein enormer Vorteil, wenn es bei der Technik in der Anfangsphase noch etwas ruckelt. Sonst läuft aber alles top“, sagt der 60-Jährige und deutet in einen Klassenraum. Dort sitzen 24 Schüler: die Fachkräfte von morgen für die Betriebe der Branche.

Akademie soll Kompetenzzentrum für die Aus- und Weiterbildung werden

„Darauf haben wir seit mehr als zwei Jahren hingearbeitet“, sagt Anke Hollkott. Hier zu arbeiten, sei für sie beide ein echtes Highlight, sagt die ehemalige Berufsschullehrerin. Hollkott und Döring leiten die Akademie im Team. Ihr Ziel: „Das Kompetenzzentrum für die textile Aus- und Weiterbildung in Deutschland werden“, sagt Döring selbstbewusst. Um das zu erreichen, haben der Verband der Nordwestdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie (Münster) sowie der Verband der Rheinischen Textil- und Bekleidungsindustrie (Wuppertal) insgesamt 20 Millionen Euro investiert.

Außen textile Fassade à la Christo, innen modernste Kommunikationstechnik

Das Ergebnis ist ein lichtdurchfluteter Neubau auf dem Campus der Hochschule Niederrhein. Eine private Ersatzschule, an der sieben Textilberufe im Blockunterricht ausgebildet werden und in Zukunft auch Weiterbildungen stattfinden sollen – alles finanziert durch die Unternehmen. Außen umspannt eine textile Fassade das Gebäude. Die Installation hätte Verpackungskünstler Christo nicht besser in Szene setzen können.

Schüler arbeiten mit Smartboards und Notebooks

Im Innern der Nachwuchsschmiede wird mit Hightech gelehrt. „Wenn es etwa um Webtechniken geht, können wir über interaktive Smartboards Bilder, Informationen und Verfahrensabläufe einblenden oder selbst gedrehte Videosequenzen zeigen“, sagt Hollkott. Die Schüler arbeiten im Unterricht wie im Betrieb mit Notebooks, die von der IT-Abteilung der Akademie bereitgestellt werden.

Die Nähe zu den Betrieben hat geholfen

Auf Papier wird zu 90 Prozent verzichtet. Selbst Döring hat keinen Kopierer im Büro. Hausaufgaben und Lehrmaterial liegen in der Lerncloud. Für den Praxisunterricht nutzen die Schüler die Maschinen- und Laborausstattung der benachbarten Hochschule. Das beeindruckt die 160 Auszubildenden: „Sie sind lernbereiter“, sagt Döring. „Und freuen sich auf den Unterricht“, ergänzt Hollkott. Der ist aktueller als an staatlichen Berufsschulen. Die beiden haben dafür die Standard-Lehrpläne umgestrickt. Die ergänzten sie etwa um das Thema Digitalisierung: „Da hat uns viel die Nähe zu den Betrieben geholfen“, so der Akademie-Chef, der regelmäßig Firmen besucht.

Ging es dann um Material und Ausstattung, mussten die beiden sich nicht mit bürokratischen und zeitaufwendigen Genehmigungen herumschlagen: „Man vertraut uns, dass das, was wir anfragen, auch benötigt wird“, sagt Hollkott. Dazu gehören bald mehr Fachlehrer. Die Akademie soll schnell wachsen. Schon in zwei Jahren werden zehn Vollzeitkräfte 360 junge Textiler ausbilden. Döring: „Dann sind die Klassen voll, und die Akademie lebt.“

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Döring: Textiles liegt bei mir in der Familie. Mein Großvater hatte eine Färberei in Ostdeutschland. Auch als Lehrer hat mich die Branche immer interessiert.

Hollkott: Ich habe gut 20 Jahre an berufsbildenden Schulen Textil- und Bekleidungstechnik gelehrt. Dann wurden die Klassen immer kleiner. Ich musste mich umorientieren.

Was reizt Sie am meisten?

Hollkott: Mit der modernen Technik der Akademie die Wissensvermittlung ganz neu zu denken.

Döring: Die Akademie bundesweit zu einer Marke für eine gute textile Aus- und Weiterbildung zu machen.

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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