Lindlar. Sekundenbruchteile entscheiden über Treffer, über Sieg oder Niederlage. Eine raffinierte Finte setzen, den Gegner zu einer Aktion verleiten, die Taktik des anderen durchschauen, blitzschnell reagieren. „Es ist wie Schach“, sagt Osman Uzgidis über seinen Sport. Blitzschach, könnte man vielleicht sagen. Und zwar in Bewegung. Uzgidis ist einer von gerade mal 25.000 Fechtern, die es in Deutschland gibt. Auf einen einzigen Fechter kommen 280 Fußballer, und das sind nur die im Verein offiziell registrierten.

Entgeltabrechnung – sein Job ist der totale Kontrast zum Fechten

Wie kommt man auf diese Sportart? Hat das irgendwie mit dem Job zu tun? Nein, überhaupt nicht, sagt Uzgidis. Fechten sei aber ein guter Ausgleich, um abzuschalten. Uzgidis, in Gummersbach geboren als Sohn einer deutschen Mutter und eines türkischen Vaters, arbeitet seit 34 Jahren beim Edelstahlwerk Schmidt + Clemens in Lindlar bei Köln.

Hier lernte er den Beruf des Industriekaufmanns, machte sich fit in Programmieren, hier ist er heute in der Personalabteilung für die Entgeltabrechnung der rund 550 Mitarbeiter am Standort und der fast 600 Betriebsrentner zuständig, zusammen mit einem Kollegen. Eine Tätigkeit, die dem 53-Jährigen großen Spaß macht, weil sie das Kaufmännische mit der Datenverarbeitung verbindet und außerdem viel Kommunikation mit sich bringt. „Viele Kollegen kommen zu uns, wenn sie Fragen zur Rente, zu vermögenswirksamen Leistungen oder anderen Themen haben. Sie wissen, dass wir ihnen gerne helfen.“

Die ersten drei Monate durfte Osman Uzgidis keine Waffe anpacken

Das mit dem Fechten muss 1976 angefangen haben, als der junge Osman im Fernsehen ein paar Bilder vom olympischen Wettbewerb im Fernsehen sah. „Ich war sofort fasziniert“, sagt Uzgidis. Es dauerte dann aber noch bis 1982, bis er einen Aushang sah, in dem die Fechtabteilung des VfL Gummersbach um neue Mitglieder warb.

Dass es eine solche Abteilung überhaupt gab, wusste im handballverrückten Gummersbach kaum jemand. 1982 feierte der VfL gerade seine achte deutsche Meisterschaft. Uzgidis jedenfalls ging zum Fechten und blieb dabei, obwohl er ganze zwei Leute in der Halle antraf, obwohl er erst mal drei Monate lang keine Waffe anfassen durfte und nur Beinarbeit trainieren musste.

Ein anspruchsvoller Beruf, drei Kinder, regelmäßiges Training. Und dazu kommt noch das Ehrenamt

Die Faszination ließ nie nach. „Man ficht mit dem Kopf. Es geht um Präzision und Schnelligkeit, und es ist eine Einzelsportart, die jeder für sich steuern kann. Es ist recht ungefährlich, man kann es ein Leben lang machen, und bei Wettkämpfen herrscht ein respektvoller Umgang.“

Ein anspruchsvoller Beruf, drei Kinder, zweimal die Woche im firmeneigenen Fitnessstudio und regelmäßiges Fechttraining – man könnte meinen, da braucht der Tag schon mehr als 24 Stunden. Und doch hat sich Uzgidis über viele Jahre, und nach einer Pause seit Anfang des Jahres erneut, auch noch als Vorsitzender des Fechtvereins engagiert, der sich im Jahr 2000 aus dem VfL gelöst hat.

Zudem bietet Uzgidis persönlich Schnupperkurse über die Volkshochschule an, und daraus gewinnt der Verein immer wieder neue Mitglieder. Viele haben erst im Erwachsenenalter angefangen: „Unserer ältester Aktiver war über 80“, erzählt Uzgidis.

Wichtig sei für ihn, den Kopf nach der Arbeit freizubekommen. Um am nächsten Tag wieder frisch im Job zu starten …

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Nach der Ausbildung zum Industriekaufmann war ich schon einige Jahre im Betrieb, als mir die Stelle in der Personalabteilung angeboten wurde. Für mich war das ein Glücksfall.

Was reizt Sie am meisten?

Es ist der direkte Kontakt mit den Kollegen, aber auch die Möglichkeit, hier meine Fähigkeiten optimal nutzen zu können.

Worauf kommt es an?

Vor allem darauf, auch mal bei Fragen zu helfen, die über die Gehaltsabrechnung hinausgehen, etwa zur Altersversorgung.

Werner Grosch
Autor

Werner Grosch war lange Jahre leitender Redakteur einer Tageszeitung mit den Schwerpunkten Politik und Wirtschaft. Für aktiv schreibt er Reportagen aus Unternehmen der Metall- und Elektrobranche und porträtiert Mitarbeiter aus diesen Branchen mit ihren ungewöhnlichen Fähigkeiten oder Hobbys. Privat und beruflich ist er am liebsten mit dem Rad unterwegs.

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