Der Weg zur Arbeit führt Maschinenschlosser Jan Sancken und Maschinenbaumeister Joel Odhiambo in die Tiefe. Rund acht Meter klettern die Lloyd-Werft-Mitarbeiter an der Sprossenleiter nach unten, bis sie den Pumpen- und Maschinenraum des großen Schiebetors der Fischereihafenschleuse erreicht haben.

„Wir tauschen Armaturen und Schieber aus, bauen Dichtungen ein, inspizieren Rohrleitungen und erneuern einzelne Pumpen“, erklärt Odhiambo. „Ein Schleusentor ist vergleichbar mit einem Eisberg“, sagt Schiffbauingenieur Holger Opalka, der als Projektleiter bei der Lloyd Werft für die Überholungsarbeiten an den Toren der Fischereihafenschleuse, der Kaiserschleuse und der Nordschleuse verantwortlich ist. „Fast alles passiert unterhalb der Wasserlinie.“

Komplexe Stahlkonstruktion mit Kammern, Tanks, Kanälen und Gängen

Die meisten Menschen, die täglich über ein solches Tor fahren, ahnen nicht, was sich unter ihnen abspielt. Denn ein Schleusentor ist viel mehr als eine einfache Metallwand. „Je nach Alter, Funktion und Größe ist es eine sehr komplexe Stahlbaukonstruktion, die aus Kammern, Tanks, Kanälen, Schächten, Gängen, Verstrebungen, Rohrleitungen und jeder Menge Technik besteht“, zählt der 48-Jährige auf. Entsprechend umfangreich waren die Arbeiten, die bis zu 140 Lloyd-Werft-Mitarbeiter in den ersten drei Monaten dieses Jahres an den Stahlgiganten vorgenommen haben.

Schon der Transport der riesigen Kolosse ins Trockendock der Werft war ein aufwendiger Prozess. Die 57, 47 und 36 Meter langen Tore wurden Anfang Januar mithilfe von Schwimmkränen und Schleppern ins Dock geschleppt.

„Das hat pro Tor rund einen Tag gedauert“, sagt Bernd Mattheis, Projektleiter von der Hafengesellschaft Bremenports. Sie ist für den Betrieb und die Wartung der Schleusen verantwortlich. In regelmäßigen Abständen lässt Bremenports die Tore im Dock auf Schäden untersuchen und teilweise konservieren. Dass nun gleichzeitig drei Tore durchgecheckt werden mussten, war auch für den 46-jährigen Mattheis neu. „Aber so sparen wir Zeit und Geld“, betont er.

Die Fachleute behandeln Tausende von Quadratmetern mit Spezialfarbe

Auf der Lloyd Werft angekommen, wurden die Tore zunächst gründlich inspiziert und gereinigt. „Dazu haben wir sie eingehaust, also hinter Planen verpackt, und dann sandgestrahlt “, berichtet Opalka. Danach wurden sie mit Spezialfarbe konserviert. Am Tor der Nordschleuse mussten 6.000 Quadratmeter, am Tor der Fischereihafenschleuse 1.600 Quadratmeter behandelt werden. Nur das erst fünf Jahre alte Tor der Kaiserschleuse bekam keinen neuen Anstrich. „An diesem Tor haben wir nur Reparaturen vorgenommen“, sagt Opalka.

Er ist besonders stolz darauf, dass jedes der Tore zu jeder Zeit der Reparaturarbeiten innerhalb von wenigen Tagen wieder einsatzbereit gewesen wäre. „Wir müssen eine Verfügbarkeit spätestens nach sechs Tagen garantieren“, sagt der Lloyd-Werft-Ingenieur. Der Grund ist ganz einfach: Ohne funktionierende Schleusen stehen große Teile des Seehafens Bremerhaven still.

„Das müssen wir unbedingt verhindern “, so Bremenports-Mann Mattheis. Und so wurden die zwischen 2.500 Tonnen (Kaiserschleuse) und 1.100 Tonnen schweren Tore im Trockendock aufgestellt und nach exakten Zeitplänen bearbeitet.

Das älteste ist das Nordschleusentor aus dem Jahr 1928. Der Laie kann es an den unzähligen Nieten erkennen, die die Stahlplatten zusammenhalten. Diese Nieten machen die Arbeit der Werftmitarbeiter nicht leicht, denn jede muss vollständig konserviert werden, kein noch so kleines Eckchen darf freigelassen werden.

Deshalb überprüfen Opalkas Kollegen auch penibel jede Kante und Verstrebung, die schwer zugänglichen Ecken sogar mit kleinen Handspiegeln.

Um in Zukunft einen besseren Schutz vor höher auflaufenden Sturmfluten zu bieten, wurde das Reservetor der Nordschleuse mit einem etwa 1,20 Meter hohen stählernen Aufsatz versehen. „Wir haben zehn ‚Staubleche‘ nebeneinander verankert und so das Tor auf eine Schutzhöhe von sieben Metern über Normalnull gebracht“, sagt Opalka.

Die beiden anderen Tore der Nordschleuse waren zuvor schon auf die gleiche Art und Weise auf die Folgen des Meeresspiegelanstiegs vorbereitet worden.

Das Tor der 2010 erweiterten Kaiserschleuse wurde während des Dockaufenthalts übrigens besonders gründlich in Augenschein genommen. Vielleicht, so die Hoffnung der Ingenieure, lassen sich Erkenntnisse über die Ursachen ableiten, die im Herbst 2014 zum monatelangen Ausfall des Schleusenbauwerks geführt hatten.

Ende März war es dann soweit: Die Arbeit an allen drei Reservetoren wurde beendet. Während der nächsten 15 Jahre werden die Tore wieder ihren Dienst versehen. Zuverlässig wie immer und für den Hafenbesucher kaum wahrnehmbar – das meiste spielt sich eben unter der Wasseroberfläche ab.

Begegnung mit …

Von Mombasa nach Bremerhaven: Joel Odhiambo fand dank M+E-InfoMobil seine Ausbildung

„Es war kalt.“ Das ist Joel Odhiambos spontane Antwort, als er nach seinem ersten Eindruck von Deutschland gefragt wird. Seine Mutter hatte 1995 in Bremerhaven eine Arbeit gefunden und den damals 15-Jährigen aus der kenianischen Millionenmetropole Mombasa in die Seestadt geholt. „Ich konnte nur Kisuaheli und Englisch sprechen“, erinnert er sich. Odhiambo biss sich durch, lernte Deutsch und machte den Realschulabschluss. Als 1998 das M+E-InfoMobil, der Vorgänger des heutigen InfoTrucks, an seine Schule kam, war für ihn klar: „Ich möchte in der Branche arbeiten.“

Bei der Lloyd Werft fand er einen Ausbildungsplatz zum Industriemechaniker und wurde übernommen. Inzwischen hat sich der 35-Jährige per Fernstudium zum Industriemeister weitergebildet, führt ein Team mit bis zu 30 Mitarbeitern. In Deutschland ist er „angekommen“. Mit seiner Frau und zwei Kindern lebt er in Bexhövede vor den Toren Bremerhavens. „Alles gut“, sagt er. Nur zu kalt sei es eben immer noch.

Mein Job

Wie kamen Sie zu Ihrem Job?

Durch das M+E-InfoMobil. Das war an unserer Schule, und ich fand die präsentierten Berufe und Aufgaben sehr interessant.

Was gefällt Ihnen besonders?

Wir haben viele verschiedene Aufgaben zu bearbeiten. Jeder Tag bringt neue Herausforderungen. Deshalb wird es nie langweilig.

Worauf kommt es an?

Auf Sicherheit und Teamfähigkeit. Diese Dinge sind das Wichtigste auf der Werft.

Lothar Steckel
Autor

Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.

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