Herzogenaurach / Passau / Ingolstadt / Traunreut. Da tut sich was: Digitalisierung, Vernetzung, Industrie 4.0 – diese Schlagworte sind derzeit in aller Munde. Doch was heißt das konkret? Und was müssen beispielsweise junge Leute können, die jetzt eine Ausbildung in der Metall- und Elektroindustrie beginnen?

Die Wirtschaft gestaltet den Wandel mit, unterstützt Azubis auf dem Weg ins digitale Zeitalter. Elf Berufe der Metall- und Elektroindustrie (M+E) wurden an die neuen Anforderungen angepasst – vom Anlagenmechaniker bis zum Mechatroniker und Elektroniker für Informations- und Systemtechnik. In Bayern trat die Änderung am 1. August in Kraft. Damit große wie kleine Unternehmen weiterhin nach neuestem Stand ausbilden, wurden sowohl Schlüsselqualifikationen wie Datensicherheit als auch Zusatzqualifikationen etwa zur Programmierung aufgenommen (siehe Kasten).

Bayerns M+E-Industrie hat sich für das Update der Berufsbilder starkgemacht, die Modernisierung mit ihrer Studie „Industrie 4.0 – Auswirkungen auf die Aus- und Weiterbildung in der M+E-Industrie“ bereits im April 2016 angestoßen.

Davon profitieren die Azubis in Bayerns Leitindustrie. Für 2018 rechnen die bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeberverbände bayme und vbm in ihrer aktuellen Ausbildungsumfrage mit insgesamt rund 15.200 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen (im Vergleich zum Vorjahr trotz bereits hohen Niveaus ein kleines Plus von 0,3 Prozent).

Viele innovative Projekte in den Unternehmen

Und die Azubis kriegen was geboten. Klar, sie müssen sich verstärkt mit technologischen Trends auseinandersetzen, bekommen aber auch das Rüstzeug dazu: im Unterricht an den Berufsschulen und in vielen innovativen Ausbildungsprojekten in den Firmen. Denn die haben sich Gedanken gemacht, wie sie ihren Nachwuchs fit für den Arbeitsmarkt der Zukunft machen.

„Trends wie E-Mobilität, Industrie 4.0 und Digitalisierung verändern Produkte und Abläufe“, sagt etwa Corinna Schittenhelm, Vorstand Personal und Arbeitsdirektorin des Automobil- und Industriezulieferers Schaeffler in Herzogenaurach. Daher müsse das Unternehmen neue Qualifikationen bei den Mitarbeitern unterstützen. Ein Baustein ist das Projekt „Soziale Kompetenzen im Ausbildungsprojekt 3-D-Drucker“, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird.

Die Azubis bauen während ihrer Lehrzeit einen individuellen 3-D-Drucker. Sie kümmern sich um die Herstellung der Einzelteile, Montage und Inbetriebnahme. Das ist komplex und erfordert Austausch von Wissen. So lernen sie Zusammenhänge zwischen Mechanik, Elektronik, Soft- und Hardware und wie man sich im Unternehmen vernetzt.

In der Ausbildungswerkstatt des Technologiekonzerns ZF in Passau lernen die jungen Nachwuchskräfte ebenfalls schon mit neuester Technologie. Insgesamt 60 starten in diesem Herbst. „Think digital!“, lautet das Motto, das sich das Unternehmen für die Ausbildung gegeben hat. Pünktlich zu Beginn des Ausbildungsstarts im letzten Herbst eröffnete der Standort Passau einen speziell für die Ausbildung 4.0 geschaffenen Bereich. Rund 1 Million Euro investierte das Unternehmen in die Lehrwerkstatt der Zukunft. „Unsere Auszubildenden können anhand modernster Technologien erfahren, was Industrie 4.0 in der Praxis konkret bedeutet“, erklärt ZF-Ausbildungsleiter Roland Biebl.

Industriemechaniker-Azubis arbeiten Hand in Hand mit dem Roboter

Drei Roboterschulungszellen, neueste CNC-Fräsmaschinen und modernste Steuerungstechnik installierte das Unternehmen für die Azubis. Zudem schaffte der Standort zwei sogenannte Hololenses an. Diese ermöglichen es, 3-D-Projektionen in der direkten Umgebung darzustellen – ohne Smartphone oder zusätzlichen Computer.

Ein Highlight bildet darüber hinaus der kollaborative Roboter, der die direkte Zusammenarbeit von Mensch und Maschine ohne Zaun oder andere Schutzeinrichtungen ermöglicht. Das Besondere: Er muss nicht im klassischen Sinn programmiert werden, sondern sein Bediener bringt ihm Arbeitsschritte bei, indem er ihn von Hand in eine Aufgabe einführt.

Auch bei BSH Hausgeräte steht die Ausbildung im Zeichen der Digitalisierung. Am Standort Traunreut, wo Herde gefertigt werden, starten im Herbst 9 Mechatroniker und 8 Industriemechaniker, im Geschirrspülerwerk Dillingen sind es insgesamt 18 Einsteiger in technischen Berufen. „Wir tun alles, um die jungen Leute optimal auf ihren Job vorzubereiten“, sagt Florian Walter, technischer Ausbilder für Mechatronik im Werk Traunreut. Denn durch Automatisierung und Roboter sind die Herausforderungen gestiegen.

Mit einem eigenen 3-D-Drucker geht man etwa die digitale Umsetzung von Werkstücken an – von der Zeichnung am PC über die elektronische Übertragung bis zur spanlosen Herstellung. „Das ist anschaulich und hilft, Zusammenhänge schneller zu begreifen“, so Walter.

Die Trainingsanlagen wurden mit aktuellen, programmierbaren digitalen Steuerungen aufgerüstet. Am neuen Schulungsroboter üben neben Azubis auch Mitarbeiter aus dem Werk – zur Weiterbildung. „Als Nächstes packen wir die Vernetzung unserer Ausbildungsanlagen an“, so Walter, „in der Produktion im Werk ist sie schon Realität.“

Tablet-Computer gehört zum Alltag im Job

Auch die bayerischen Automobilhersteller stärken die digitale Kompetenz der Nachwuchskräfte. Beispiel Audi: Mehr als 800 Azubis in Ingolstadt und Neckarsulm werden technologisch fundiert qualifiziert. Das Unternehmen richtet die Ausbildung in den Werken konsequent in Richtung Zukunft aus.

Daher gehört in allen Berufen bei Audi mobiles und digitales Lernen mit Tablet-Computern zum Alltag. Junge Leute erleben zudem immer stärker vernetztes Arbeiten – also wichtige Voraussetzungen für die digitale Fabrik.

So sieht die Ausbildung in den technischen Berufen aus

Für elf technische M+E-Berufe gibt es neue Inhalte. Es geht um Datensicherheit und -analyse sowie Auftragsabwicklung mittels moderner Informationstechnik. Die Auszubildenden lernen, sich in Clouds und Netzen zu informieren und digitale Medien einzusetzen. Es wird Wissen zum Schutz vor Schadsoftware vermittelt und zum Einsatz von Visualisierungstechniken wie dem „digitalen Zwilling“, also dem virtuellen Abbild einer Anlage.

Darüber hinaus können sieben optionale Zusatzqualifikationen zu besonders gefragten Kompetenzen erworben werden: etwa Prozess- oder Systemintegration, IT-gestützte Anlagenänderung, digitale Fertigung, Programmierung, IT-Sicherheit sowie digitale Vernetzung.

Die bayerischen M+E-Arbeitgeberverbände unterstützen die Ausbilder ihrer Mitgliedsunternehmen bei der praktischen Umsetzung mit spezifischen Qualifizierungsangeboten des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft.

M+E-Industrie Bayern: Beste Aussichten für Bewerber

  • 15.200 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge
  • 1.111 Euro tarifliche Ausbildungsvergütung (im Schnitt über die gesamte Ausbildungszeit)
  • 93 Prozent der Azubis werden 2018 befristet oder unbefristet übernommen
  • 31 Prozent der Betriebe nehmen allerdings weniger Azubis auf als im Vorjahr, denn 42 Prozent der Betriebe finden keine geeignten Bewerber, 39 Prozent überhaupt zu wenig Bewerber

Quelle: Unternehmensumfrage bayme vbm, Juli 2018

Alix Sauer
Leiterin aktiv-Redaktion Bayern

Alix Sauer hat als Leiterin der aktiv-Redaktion München ihr Ohr an den Herausforderungen der bayerischen Wirtschaft, insbesondere der Metall- und Elektro-Industrie. Die Politologin und Kommunikationsmanagerin volontierte bei der Zeitungsgruppe Münsterland. Auf Agenturseite unterstützte sie Unternehmenskunden bei Publikationen für Energie-, Technologie- und Mitarbeiterthemen, bevor sie zu aktiv wechselte. Beim Kochen und Gärtnern schöpft sie privat Energie.

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Friederike Storz
aktiv-Redakteurin

Friederike Storz berichtet für aktiv aus München über Unternehmen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Die ausgebildete Redakteurin hat nach dem Volontariat Wirtschaftsgeografie studiert und kam vom „Berliner Tagesspiegel“ und „Handelsblatt“ zu aktiv. Sie begeistert sich für Natur und Technik, Nachhaltigkeit sowie gesellschaftspolitische Themen. Privat liebt sie Veggie-Küche und Outdoor-Abenteuer in Bergstiefeln, Kletterschuhen oder auf Tourenski.

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