Radevormwald. Ping! Ein Hämmerchen bringt ein Zahnrad zum Klingen. Der Klang gibt Auskunft, ob das Bauteil einen Materialfehler hat und aussortiert werden muss. Der erzeugte Ton wird digital aufgezeichnet, mit Referenzwerten verglichen und wandert anschließend in einen riesigen Datensee.

Wer sich in der Firma GKN Sinter Metals Components in Radevormwald (Bergisches Land) mit Produktionsleiter Björn Selbach auf die Suche nach den üblichen Anzeichen von Industrie 4.0 begibt, ist schnell irritiert. Keine autonom fahrenden Wägelchen, die Metallpulver oder daraus gefertigte Bauteile transportieren, keine Hallen, in denen nur noch Roboter und Maschinen vor sich hin arbeiten. Selbach: „Die Daten, die wir hier erheben, sind das Wichtige – und was wir damit anfangen. Selbsttätige Maschinen sind eben nur eine Form von Automation.“

Pro Jahr verlassen 40 Millionen Bauteile die Fabrik in Radevormwald

Am Standort Radevormwald pressen und „backen“ (im Fachjargon sintern) 280 Mitarbeiter aus Metallpulverlegierungen Motor- und Getriebeteile, Komponenten für Fahrwerke, Stoßdämpfer, elektrische Parkbremsen oder elektrische Lenkungen. Der Löwenanteil der 40 Millionen Bauteile pro Jahr wird in Autos verbaut.

Das Werk ist einer von 34 weltweit verteilten GKN Powder Metallurgy Standorten. Die Gruppe hat 7.400 Mitarbeiter und beliefert rund 3.000 Kunden mit insgesamt drei Milliarden Artikeln.

1.500 Maschinen sind in der GKN-Gruppe miteinander vernetzt

Das Entscheidende dabei: Alle Standorte sind digital miteinander tief vernetzt. Der Datensee der GKN-Gruppe speist sich unter anderem aus 1.500 Maschinen und 800 digitalisierten Messstationen. Jede Maschine liefert im Sekundentakt Produktionsdaten: Hubzahl pro Minute? Was wird gerade produziert? Restlaufzeit des Auftrags? Aber auch der Zustand jeder Maschine wird dokumentiert und ausgewertet. Hinzu kommen acht Millionen Messungen pro Monat, die alleine der Qualitätssicherung dienen.

Fragt man Selbach nach der Größe des Datensees in Giga- oder Terabyte – er kann es nicht sagen. Es ist für ihn auch nicht wichtig. Ihn interessiert vor allem der Nutzen, den er mit intelligenten Abfragen aus dem See fischen kann. Selbach formuliert es so: „Datenbanken und Algorithmen bringen heute das Controlling in die Produktion und ermöglichen bessere Prognosen.“

Anders gesagt: Kontrolle war gestern, Berechnen und Vorausschauen ist heute. Die Software und Datenbankanwendung dazu hat das Unternehmen intern entwickelt und dabei, so Selbach, „eine hohe IT- und Prozesskompetenz“ aufgebaut, was Geschäftspartner und Berater dem Unternehmen regelmäßig bestätigen.

Mitarbeiter erfahren per Smartphone, wo das Material bald ausgeht

Die Firma hat die Mitarbeiter mit auf die digitale Reise genommen. Und die profitieren davon: So startete GKN auf Wunsch der Kollegen beispielsweise ein Pilotprojekt, bei dem sie auf einem mobilen Gerät (etwa einem Smartphone) frühzeitig Meldungen erhalten, an welchen Maschinen und in welcher Reihenfolge sie Material oder Leergut nachfüllen müssen. Selbach: „Rotierten die Kollegen früher quasi im Kreis durch die Werkhalle, ist ihre Arbeit nun strukturierter und damit entspannter.“

Zur praktischen Seite der intelligenten Datensee-Auswertung namens iDash gehört, dass das System Kennzahlen und Daten eigenständig in Präsentationen ausgeben kann und jederzeit abrufbar macht – sei es für die allmorgendliche Lagebesprechung am Arbeitsplatz oder das Meeting im Führungszirkel.

Digitalisierung und Industrie 4.0: Ziel ist die vernetzte Versorgungskette

Mit der Digitalisierung will das Unternehmen noch besser werden. Ziel ist die vernetzte Versorgungskette bis hin zum Endprodukt seiner Kunden.

Um all das zu schaffen, setzt GKN auf Zusammenarbeit mit anderen Industrie- unternehmen – und engagiert sich sowohl international als auch regional für den Austausch zum Thema Industrie 4.0. Etwa in einem der bundesweit ersten Foren dazu. Ins Leben gerufen wurde es vom Remscheider Arbeitgeber-Verband.

Selbach stellt klar, dass es Technik alleine nicht bringt: „Die erfolgreiche Umsetzung von Industrie 4.0 hängt vor allem von Menschen ab, die die Digitalisierung gestalten – und sich mit anderen vernetzen wollen.“