Neudorf/Spree. Cathleen Berwing hört aufmerksam zu: Maschinenführer Marco Jurschick erklärt den Produktionsstand am Inliner. Die gewaltige Anlage schluckt eine Wellpappentafel nach der anderen und spuckt sie am anderen Ende als formatierte, bedruckte und gefaltete Kartons aus. Ergebnis des Gesprächs: „Ein eiliger Auftrag passt in der Spätschicht noch dazwischen“, sagt Berwing, die 29-jährige Juniorchefin.

Die Tochter des geschäftsführenden Gesellschafters ist gelernte Bankkauffrau, arbeitet aber seit fünf Jahren mit in der Pappen- und Kartonagenfabrik Spreemühle: mal im Vertrieb, mal in der Planung – überall, wo sie gebraucht wird.

Traditionsbetrieb wieder auf Vordermann gebracht

Der 40-Mann-Betrieb steht im sächsischen Neudorf/Spree, im Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft. Natur pur: „Hier heulen nachts schon mal die Wölfe“, sagt Berwing.

Die schöne Umgebung ist nur ein Grund dafür, dass das Herz der jungen Frau an der Firma hängt. „Das von den Eltern Geschaffene, das will ich weiterführen und erhalten“, sagt sie.

Die Eltern: Das sind Ilona und Sascha Berwing. 1995 haben sie den arg verschlissenen Traditionsbetrieb nahe der polnischen Grenze gekauft – und seitdem mit sehr viel Arbeit wieder solide aufgestellt. Heute fahren pro Werktag zehn 40-Tonner vom Fabrikhof, liefern Well- und Vollpappen-Produkte an Kunden zwischen Berlin, Leipzig und Chemnitz.

Die Geschäfte laufen ordentlich, nicht zuletzt wegen der großen Flexibilität des mittelständischen Familienbetriebs. Aktuell werden die Lieferzeiten länger: Vor allem der Online-Handel und die Industrie verlangen nach immer größeren Mengen hochwertiger Verpackungen.

Investition bringt auch Arbeitsplätze

Es lohnt sich also, zu investieren? „Auf jeden Fall“, findet Sascha Berwing. Und die Planungen dafür seien angelaufen, als seine Nachfolge geregelt war – also als feststand, dass Tochter Cathleen den Betrieb weiterführen möchte.

2,5 Millionen Euro kosten die neue Werkhalle und die dritte Inliner-Anlage. „Modernste Technik ist die Voraussetzung dafür, dass auch mittelständische Unternehmen sich am Markt behaupten können“, so der Chef. Sehr hilfreich war die öffentliche Förderung: „Alleine hätten wir das kaum stemmen können.“ Fast ein Drittel des investierten Geldes steuert der Staat bei. Eine Bedingung: drei neue Mitarbeiter und zwei Azubis einstellen – das erfüllte man gerne. „Sie alle haben sich hier schnell integriert, arbeiten und lernen fleißig“, freut sich Cathleen Berwing.

Auch sie selbst muss sich nun ständig mit Neuem auseinandersetzen. Sich an die Rolle als Chefin gewöhnen – und damit an die große Verantwortung für die Jobs ihrer Beschäftigten.„Als Kind mochte ich die Firma gar nicht“, sagt sie offen: weil Papa immer so spät nach Hause kam …

Maja Becker-Mohr
Autorin

Maja Becker-Mohr ist für aktiv in den Unternehmen der hessischen Metall-, Elektro- und IT-Industrie sowie der papier- und kunststoffverarbeitenden Industrie unterwegs. Die Diplom-Meteorologin entdeckte ihr Herz für Wirtschaftsthemen als Redakteurin bei den VDI-Nachrichten in Düsseldorf, was sich bei ihr als Kommunikationschefin beim Arbeitgeberverband Hessenchemie noch vertiefte. In der Freizeit streift sie am liebsten durch Wald, Feld und Flur.

Alle Beiträge der Autorin