Stühlingen. Wenn es um Mörtel geht, ist Christian Restle (54) ganz in seinem Element. Er steht im mineralischen Labor beim Baustoffspezialisten Sto in Stühlingen und entwickelt raffinierte Varianten des zuvor grauen Werkstoffs.

Von den 800 Mitarbeitern am Standort sind 92 in der Forschung und Entwicklung tätig. Innovationen sind hier wie in fast jedem Unternehmen überlebenswichtig. Restle ist mit acht Kollegen für das mineralische Labor verantwortlich. Reagenzgläser sucht man allerdings vergeblich: „Wir arbeiten mit Kelle und Rührmaschinen“, erklärt der gelernte Maurer.

Produkte auf die Verarbeitung trimmen

Schon seit Jahren hat er seine robuste Arbeitskleidung gegen den weißen Kittel getauscht. Die Rezeptur von Mörtel besteht im Wesentlichen aus Sand, Wasser und Bindemitteln. „Je nach Anwendungsbereich kommen dann noch weitere Zusatzstoffe hinzu“, erklärt Restle. So unterscheidet man zum Beispiel Mauermörtel, Fliesenmörtel, Klebemörtel für Wärmedämmverbundsysteme und Estrichmörtel. Zudem gibt es noch Spachtel- und Ausgleichsmassen „und nicht zu vergessen die Putzmörtel“, ergänzt der Fachmann. Seine Spezialität sind mineralische Putzmörtel zur Herstellung von Außen- oder Innenputzen.

Wie kommt man vom Bau ins Labor? „Das ist schon ein gewaltiger Schritt, für meinen heutigen Beruf gibt es keine spezielle Ausbildung“, sagt Restle. Nach 14 Jahren im Handwerk wechselte er zunächst zur Qualitätskontrolle, arbeitete sich später in der Forschung und Entwicklung eines Wettbewerbers ein und fing dann bei Sto an. Im mineralischen Labor forschen Handwerker wie Naturwissenschaftler zusammen. Alle beherrschen den Umgang mit Mörtel in Theorie und Praxis: „Jeder hier weiß, wie man das Material aufbringt und richtig anwendet“, so der Profi.

Das Team verbessert technische Parameter des Baustoffs wie Druck- und Haftzugfestigkeit oder die Wasseraufnahme. „Eine Fassade darf bei Regen zum Beispiel nur wenig Feuchtigkeit aufnehmen“, so Restle. „In Bad oder Küche ist das anders. Dort darf kein Kondenswasser die Wand herunterlaufen.“

Die Produkte müssen zudem auf gute Verarbeitung getrimmt sein: „Das Material muss einem Stuckateur, der Hunderte von Quadratmetern verputzen soll, die Arbeit erleichtern. Ist es zu zäh oder klebrig und nicht genügend geschmeidig, ermüden die Arme. Hat es keine ausreichende Standfestigkeit und kein Haftvermögen, fällt der Putz vom Werkzeug oder gar von der Wand.“ Ein Schwerpunkt seiner Arbeit sind neue Materialien für gesundheitsverträgliches Bauen. Gemeinsam mit der Schweizer Forschungsanstalt Empa entwickelte Sto ökologische Produkte auf Kalkbasis: „Jetzt haben wir eine Produktlinie, die bis zu 50 Prozent mehr Feuchtigkeit als traditionelle Lehmputze aufnehmen kann. Das reguliert perfekt das Raumklima“, berichtet Restle.

Werkstoffe direkt auf der Baustelle testen

Er kümmert sich auch darum, wie man Dämm-Materialien am Haus befestigt und sie vor Wind, Wetter und mechanischen Belastungen schützt. Und um farbigen Putz für die Optik. Neue Werkstoffe begleitet er bis auf den Bau und schaut, wie sie dort funktionieren.

„Zwar testen wir das Material vorab mit unseren eigenen Maschinen. Aber wenn es zum Beispiel mit Druck 30 Meter durch einen Schlauch aufs Dach eines Hochhauses gepumpt wird – kommt es dort noch so an, wie wir uns das vorgestellt haben?“, meint der Entwickler.

Man muss Misserfolge wegstecken können

Bis es überhaupt zum Praxiseinsatz kommt, können allerdings Monate oder Jahre vergehen. „Da braucht man viel Geduld und muss Misserfolge wegstecken können“, seufzt Restle.

Hilfreich bei der Arbeit sind moderne Geräte und die Digitalisierung: „Früher haben wir viel von Hand gemessen, zum Beispiel Abbindeverläufe. Alle zehn Minuten musste ein Mitarbeiter testen und dokumentieren, wie schnell das Material hart wird. Heute übernehmen das spezielle Geräte sehr präzise und zuverlässig.

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Für meinen Beruf gibt es keine eigene Ausbildung. Angefangen habe ich als Maurer, kam dann zur Qualitätskontrolle und schließlich in die Forschung und Entwicklung.

Was reizt Sie am meisten?

Täglich locken neue Herausforderungen. Ich muss sehr flexibel sein und mir ständig neues Wissen aneignen.

Worauf kommt es an?

Man muss kreativ und neugierig sein, Augen und Ohren offen halten und sich für Neues begeistern. Aber auch Geduld, exaktes Arbeiten und penible Dokumentation gehören dazu.

Sabine Latorre
Bis 2024 Leiterin aktiv-Redaktion Rhein-Main

Dr. Sabine Latorre war bei aktiv 22 Jahre lang die Spezialistin für Themen aus der Chemie- und Pharma-Industrie – bis zu ihrem Rentenbeginn im April 2024. Sie liebt es, komplizierte Zusammenhänge einfach darzustellen – so schon vor ihrer Zeit bei aktiv als Lehrerin sowie als Redakteurin für die Uniklinik Heidelberg und bei „BILD“. Außerdem schreibt sie naturwissenschaftliche Sachbücher für Kitas und Schulen. Privat reizen sie Reisen sowie handwerkliche und sportliche Herausforderungen.

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