Drei, zwei, eins – los! Um 12 Uhr mittags zischt die erste mannshohe Rakete auf dem Flugplatz Rotenburg mit zwei kleinen Satelliten an Bord in den norddeutschen Himmel. Sekunden später ist sie in den Wolken verschwunden – und die Schülergruppe am Boden versucht fieberhaft, den Flug ihres künstlichen Himmelskörpers zu verfolgen. Doch auch das Fernglas hilft nicht wirklich. So vergehen Sekunden zwischen Bangen und Hoffen.

Zehn Teams aus ganz Deutschland hatten sich für den zweiten CanSat-Wettbewerb (aus dem englischen Can für Dose und Sat für Satellit) im Oktober qualifiziert. Ihre Aufgabe: eine Weltraummission im Kleinen simulieren. Zu bauen war ein Satellit von der Größe einer Getränkedose, dessen erste Aufgabe es war, auf seinem Weg zur Erde ein Luftdruck- und Temperaturprofil zu erstellen. Diese sogenannte primäre Mission war jedoch nur der Pflichtteil – die Kür, in den meisten Fällen der wesentlich aufwendigere Teil, konnten die Schüler selbst bestimmen.

Monatelang tüftelten die Schüler an ihren Konzepten

Dabei gingen sie mit viel Kreativität zur Sache. Einige Teams wollten die Konzentration klimaschädlicher Gase in der Atmosphäre messen, andere die Feinstaubwerte der Luft bestimmen. Eine Manschaft hatte sich vorgenommen, geometrische Strukturen auf der Erdoberfläche zu erkennen. Und wieder eine andere Gruppe wollte Daten erfassen, mit denen man ein Trägheitsnavigationssystem zur Lageverfolgung des Satelliten erstellen kann.

Monatelang hatten sich die Jugendlichen, unterstützt von ihren Lehrern, auf die finale Woche in Bremen und Rotenburg/Wümme vorbereitet. Sie hatten Satelliten mit Sensoren, Sendern, Kameras und Datenkarten bestückt, elektronische Schaltungen entwickelt, Mikroprozessoren programmiert, Bauelemente miteinander verlötet, Fallschirme konstruiert und ihre Präsentationen eingeübt. Doch damit nicht genug. Sie mussten sich auch um Öffentlichkeitsarbeit, Kooperationspartner und Sponsoren kümmern. „Die Teams mussten echte Projektarbeit leisten, das war schon sehr anspruchsvoll“, sagt Dirk Stiefs vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) als einer der Organisatoren.

Am Ende stand dann die „Woche der Wahrheit“. Im DLR auf dem Bremer Uni-Gelände präsentierten die Schüler ihre Satelliten einer fachkundigen Jury. Tags darauf folgte der Ernstfall mit dem Raketenstart.

Natürlich fielen alle Satelliten mehr oder weniger sanft auf den Boden zurück. Bei einigen hatte sich der Fallschirm nicht geöffnet, bei anderen war die Funkverbindung unterbrochen, aber Daten hatten letztlich alle mit zur Erde gebracht. Sie wurden von den Schülern noch am gleichen Nachmittag ausgewertet und am nächsten Tag präsentiert.

Kurz danach verkündete die Jury ihr Urteil: Wettbewerbs-Sieger wurde das Mädchenteam der Erzbischöflichen Ursulinenschule Köln. Die „URSinvestigators“ hatten ihren Satelliten so ausgerüstet, dass er Wasser auf einem Planeten nachweisen kann. Die Schülerinnen dürfen nun am europäischen CanSat-Wettbewerb der Weltraumagentur ESA teilnehmen.

Initiiert wurde der deutsche CanSat-Wettbewerb unter anderem von Daniel Borowski (46). Der Mathe- und Physiklehrer unterrichtet am Gymnasium Vegesack, einer von drei Bremer Schulen mit dem Oberstufenprofil Luft- und Raumfahrt. 2012 nahm er an einer Fortbildung der ESA in Norwegen teil, bei der CanSat vorgestellt wurde.

„Ich hatte sofort die Idee, den Wettbewerb nach Bremen zu holen“, erinnert er sich. Dort rannte er offene Türen ein. Kein Wunder, ist die Hansestadt doch ein europäisches Zentrum der Luft- und Raumfahrt. Airbus Defence and Space (Ariane 5) und OHB Systems (Satelliten) unterstützten das Projekt von Anfang an. Mit dabei sind neben dem DLR auch das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Uni Bremen, die Hochschule Bremen und weitere Institute und Firmen.

Alles begann mit dem „Sputnik-Schock“

Vor 58 Jahren wurde der erste Satellit ins Weltall geschossen

Der 4. Oktober 1957 war ein Tag, der die Welt für immer veränderte. An diesem Freitag schoss die Sowjetunion überraschend den ersten kommunikationsfähigen Satelliten ins All und läutete damit das Zeitalter der Raumfahrt ein. Der sogenannte „Sputnik-Schock“ löste einen beispiellosen Wettlauf aus, der zwölf Jahre später mit der ersten amerikanischen Mondlandung im Juli 1969 seinen Höhepunkt fand.

Die Mondflüge hörten irgendwann auf, aber die Satelliten wurden stetig weiterentwickelt und sind längst ein unverzichtbares Element für Kommunikation und Navigation geworden. Nach Angaben der US-Organisation „Union of Concerned Scientists“ gibt es gegenwärtig über 1.000 aktive Satelliten in der Erdumlaufbahn.

Der Aufbau des GPS-Systems begann bereits in den frühen 70er-Jahren

Die meisten davon werden für Telefonie, Fernsehen, Radio oder digitale Datenübertragung eingesetzt, ein weiterer Teil dient geografischen und meteorologischen Zwecken.

Etwa 30 Satelliten hat das Ortungssystem GPS (Global Positioning System), das seit Anfang der 70er-Jahre vom US-Verteidigungsministerium entwickelt wurde. Der erste GPS-Satellit wurde 1978 ins All geschossen, rund 25 Jahre später beschloss die EU den Bau ihres eigenen satellitenbasierten Ortungssystems Galileo.

Lothar Steckel
Autor

Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.

Alle Beiträge des Autors