Nürnberg. Die Erklärung für ein großes Problem von Energie- und Datennetzen ist recht einfach: „In Kabel kann man nicht reinhören“, sagt Torsten Schierholz (40) vom Kabelhersteller Leoni in Nürnberg. Geht eines kaputt, dann in der Regel überraschend. Und wenn das nicht passieren darf, wird die Leitung in regelmäßigen Abständen ausgetauscht – auch wenn sie noch völlig in Ordnung ist.

Mit intelligenten Kabeln, die ihren Zustand melden, könnten Leoni-Kunden viel Geld sparen – und womöglich gar ganz neue Produkte anbieten. Solche innovativen Lösungen zu finden, zu vermarkten und auf diese Art neues Geschäft für Leoni an Land zu ziehen, ist die Aufgabe von Schierholz und seinen Leuten. Der gebürtige Franke leitet seit knapp zwei Jahren ein zu diesem Zweck neu aufgestelltes Team mit bald 70 Mitarbeitern in Nürnberg und Zürich.

„2016 haben wir quasi bei null angefangen“, erzählt Schierholz. Er ist seit 2005 bei Leoni, hat die meiste Zeit davon Spezialkabel in Nordamerika verkauft. Zunächst startete er mit fünf Kollegen, ergänzte das Team aber kontinuierlich mit erfahrenen eigenen Leuten, jungen Entwicklern, Ingenieuren und weiteren Spezialisten von außen. „Damit haben wir in unserem Team Marktexpertise und technische Kompetenz vereint.“

Einer der Treiber für die Entwicklung von Leoni – weg vom reinen Kabelproduzenten hin zum lösungsorientierten Technologiepartner – ist die Digitalisierung. „Wir sind Vordenker im Unternehmen“, so Schierholz. Neue Ideen kämen auch von den Tausenden Mitarbeitern in den diversen Werken. „Ohne diese Ideen und die Mitarbeit einer Vielzahl an Kollegen in den Werken wäre eine erfolgreiche Umsetzung nicht möglich.“

Sensoren entdecken Lecks und Defekte in Kabeln

Erster Meilenstein auf dem Weg der Transformation ist die intelligente Kabeltechnologie „LEONiQ“. Sensoren überwachen, ob sich ein Kabel überhitzt, irgendwo Feuchtigkeit eindringt oder ob eine mechanische Einwirkung von außen die Funktion beeinträchtigt.

Der Durchmesser der Sensoren ist kleiner als ein Millimeter. Defekte werden eigenständig erkannt, zentimetergenau lokalisiert und gemeldet. „So erlebt man keine bösen Überraschungen mehr“, sagt Schierholz. Falle etwa ein Industrieroboter in der Fertigung unvorhergesehen aus, könne der Schaden schnell mehrere 100.000 Euro betragen.

Auch für die Elektromobilität sind schlaue Kabel bedeutend. Sicherheit, etwa beim Ladevorgang, ist hier besonders wichtig. Es kann im wörtlichen Sinne lebenswichtig sein, dass ein defektes Kabel rechtzeitig aus dem Verkehr gezogen wird. „Kein Wettbewerber hat sich bislang so umfassend mit den neuen Möglichkeiten beschäftigt wie wir“, sagt Schierholz. Mit dem ganzheitlichen Ansatz von „LEONiQ“, Kabelsysteme in der Cloud hinsichtlich ihrer Funktion überwachen zu können, sei man der Konkurrenz sicher einen Schritt voraus.

Nächste Innovation wird die Miniaturisierung sein

Nun gilt es, die eigene Kompetenz auch zu vermarkten. Allein im letzten Jahr wurde dazu mit einigen der größten Bestandskunden und potenziellen Neukunden gesprochen: „Ausnahmslos wurde Interesse bekundet. Einige Projekte laufen bereits.“

Daneben haben Schierholz und seine Kollegen schon die nächsten Innovationen im Blick. Ein großes Thema ist die Miniaturisierung. Braucht die schlaue Technik weniger Platz, ergeben sich weitere Einsatzmöglichkeiten. Zudem hofft man mittelfristig, neben Wärme, Feuchtigkeit und mechanisch bedingten Defekten auch elektromagnetische Interferenzen messen zu können.

In fernerer Zukunft, so glaubt Schierholz, könnten schlaue Kabel auch in Branchen wie der Luft- und Raumfahrt zum Einsatz kommen, aber nicht nur dort. Seine Prognose: „Es werden Kunden auf uns zukommen, die wir heute gar nicht auf dem Schirm haben.“

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Ich wollte eine anspruchsvolle neue Aufgabe übernehmen: in einem traditionellen Fertigungsunternehmen datenbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Was reizt Sie am meisten?

Die Kunden sind wirklich sehr offen für uns und unsere intelligenten Lösungsansätze.

Worauf kommt es an?

Wir arbeiten an technischen Innovationen. Da braucht man technisches Gespür und muss auch mit Menschen umgehen können. Entwickeln ist immer Teamarbeit.

Michael Stark
aktiv-Redakteur

Michael Stark schreibt aus der Münchner aktiv-Redaktion vor allem über Betriebe und Themen der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie. Darüber hinaus beschäftigt sich der Volkswirt immer wieder mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen. Das journalistische Handwerk lernte der gebürtige Hesse als Volontär bei der Mediengruppe Münchner Merkur/tz. An Wochenenden trifft man den Wahl-Landshuter regelmäßig im Eisstadion.

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