Ditzingen/Bad Saulgau. Sie kann es ganz allein: Die Maschine Tru-Laser Center 7030 belädt sich selbst mit Rohblech, der Laser schneidet blitzschnell die einprogrammierten Formen aus, Reste und Schlacke werden gleichzeitig durch einen Spalt in den Schrottwagen gedrückt, ein automatisches Sortiersystem stapelt die fertigen Teile gleich in die richtigen Behälter.

Im Idealfall wird von irgendeinem Büro aus der Auftrag direkt an die Maschine geschickt, die spuckt dann hinten die verpackten Produkte samt Rechnung aus.

Forscher rechnen mit deutlichem Wachstum

Nur selten muss der Bediener am Terminal eingreifen. Doch die Angst vor der menschenleeren Fabrik ist unbegründet: Industrie 4.0 ist eine Chance für Wachstum und neue Arbeitsplätze.

Heinz-Jürgen Prokop nennt die 7030 die „ideale Industrie-4.0-Maschine“. Er ist in der Geschäftsführung des Maschinenbauers Trumpf für Werkzeugmaschinen verantwortlich. Werkzeugmaschinen, die mit Lasern arbeiten, sind das Kerngeschäft des Unternehmens, das seinen Sitz in Ditzingen nahe Stuttgart hat. Als Weltmarktführer wolle Trumpf „den Stand der Technik definieren“, so Prokop. Die 7030 sei ein erneuter Beweis dafür.

Intelligente Produktion mit Industrie 4.0

Der Maschinenbau befindet sich im Umbruch wie nie zuvor. Die Vernetzung über das Internet, der Datenaustausch zwischen Fertigungsstationen, das selbstständige Umrüsten der Maschinen – all das verändert die Produktion, macht sie schneller und effizienter. Das sichert Jobs: „Industrie 4.0 ist eine riesige Chance für die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts Deutschland und damit für Wachstum und mehr Beschäftigung“, sagt Mathias Kammüller, Trumpf-Geschäftsführer für die digitale Transformation.

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen es: In einer Studie für den Branchenverband Bitkom hält das in Stuttgart ansässige Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation Produktivitätssteigerungen in Höhe von rund 78 Milliarden Euro bis zum Jahr 2025 für möglich.

Besonders der Maschinen- und Anlagenbau profitiert. Denn in der vernetzten Produktion sinken die Kosten pro Teil erheblich. Die Supermaschine 7030 kann nicht nur Massenproduktion, sondern die extrem schnelle und automatische Umrüstung ermöglicht die Fertigung von Einzelteilen zu den Kosten großer Serien.

Früher bestellten Kunden 60 Teile, heute noch 4

Das spricht für den heimischen Standort, stellt Kammüller fest: „Losgröße eins aus China lohnt sich nicht: Der Transport von Einzelteilen über lange Strecken macht wirtschaftlich keinen Sinn.“

Gerade für mittlere und kleine Metall-Betriebe sind Industrie-4.0-Lösungen deshalb interessant. Der Trend zu immer kleineren Stückzahlen ist eine Herausforderung. „In den 70er Jahren bestellten meine Kunden im Schnitt 60 Teile pro Auftrag, in den 90er Jahren noch 25, heute nur noch 4“, erklärt Thomas Kaysser, Chef der Metallfirma H.P. Kaysser im wenige Kilometer entfernten Leutenbach. Er ist einer der Trumpf-Testkunden für die Super-Maschine.

Doch der Vollautomat ist nicht für jeden Betrieb gleich das Richtige. Mit maßgeschneiderten Lösungen will das Hightech-Unternehmen Trumpf, das weltweit 12.000 Mitarbeiter beschäftigt und 3,1 Milliarden Euro Umsatz erzielt, seinen mittelständischen Kunden den Einstieg in die Industrie-4.0-Welt leicht machen. Einer davon ist das Familienunternehmen Knoll Maschinenbau im oberschwäbischen Bad Saulgau. Die rund 1.000 Mitarbeiter fertigen Förder- und Filteranlagen sowie Pumpen.

Das vor 48 Jahren gegründete Unternehmen ist ständig gewachsen, irgendwann war alles zu eng und nicht mehr passend. Die beiden Geschäftsführer Jürgen und Matthias Knoll entschieden sich, zu investieren, um die Abläufe effizienter zu machen: Schritt für Schritt in Richtung Smart Factory. „Dieses Vorgehen ist vielleicht typisch schwäbisch“, sagt Joachim Riebsamen, Abteilungsleiter Rohbau. Doch seit dem Start der Umstellung vor vier Jahren sei doch schon einiges passiert.

Zum Beispiel beim Materialfluss. Gerade bei kleinen Stückzahlen müsse zum richtigen Zeitpunkt das richtige Material an der Maschine sein. Gemeinsam mit Trumpf hat Knoll dafür eine automatische Wechselstation entwickelt. Die digitalisierte Steuerung der Fertigung erkennt, wenn Material demnächst an einer Maschine gebraucht wird, und sorgt dafür, dass dieses vom Regalbediensystem schon vorab in die Nähe der Maschine gebracht wird.

„Das reduziert Wartezeiten, und wir können schneller produzieren“, erklärt Riebsamen. „Mehr Effizienz ermöglicht uns, weiter zu wachsen. Unser Ziel ist nicht, Mitarbeiter einzusparen“, betont er. „Im Gegenteil: Wir suchen neue Mitarbeiter.“

Die Zahl der Jobs hat sich bei Knoll Maschinenbau verdreifacht

Als der Ingenieur vor 16 Jahren bei Knoll Maschinenbau anfing, hatte das Unternehmen gerade mal 300 Mitarbeiter. Seither hat sich die Zahl der Jobs mehr als verdreifacht. Zu Beginn seien zwar einige Mitarbeiter etwas skeptisch gewesen, sie hätten jedoch bald gesehen, dass es eine Verbesserung bedeutet: „Der Teil, den wir automatisiert haben, waren körperlich sehr belastende Arbeiten wie Material zur Bearbeitungsstation transportieren und die Maschine damit versorgen.“

Riebsamen: „Eine drei Meter lange Blechtafel wiegt schnell 100 Kilo. Die mussten früher zwei Mann in die Maschine schieben.“ Das sei nicht nur eine Plackerei gewesen, sondern noch dazu gefährlich. „Die Arbeitssicherheit hat sich durch die Einführung von Industrie 4.0 deutlich erhöht.“