Bad Berleburg. Nie vergessen wird Karl Friedrich Radenbach den Samstag, als ihn morgens unter der Dusche ein Anruf aus der Firma erreicht: „Kannst du jetzt nach Barcelona fliegen?“ Weil Teile beim spanischen Kunden fehlen, steht dort die Produktion still. Ausfallkosten pro Stunde: 15.000 Euro! Während bei seinem Arbeitgeber Ejot in Bad Berleburg die benötigten Verbindungsteile vom Band laufen, macht Hobbyflieger und Fluglehrer Radenbach mit einem Freund seinen Doppeldecker startklar.

Luftpost-Aktion hat Ejot-Kunden in Spanien 120.000 Euro gerettet

Als die Sonne untergeht, landen die beiden auf einem kleinen Flugplatz bei Barcelona. „Wir haben durch unsere Aktion dem Kunden 120.000 Euro gerettet“, erinnert sich der 55-Jährige.

Radenbach ist im Hauptberuf Logistikleiter. Mit seinen rund 130 Mitarbeitern sorgt er dafür, dass täglich 25 Millionen Schrauben und Verbindungsteile wohlsortiert und gut verpackt die Reise zu den Kunden antreten. Über eine halbe Milliarde Euro erwirtschaftete das Unternehmen im vergangenen Jahr mit Produkten, die in Autos, Waschmaschinen und am Bau ihren Dienst tun – und auch iPhone und die Küchenmaschine Thermomix zusammenhalten.

Der Begriff „strukturiert“ hat einen besonderen Platz in Radenbachs Wortschatz. Denn wer Verantwortung trägt, braucht einen strukturierten Arbeitstag. Auf dem Stundenplan stehen vormittags Gespräche mit den Mitarbeitern und danach Diskussionsrunden auf Führungsebene.

In Radenbachs Job als Logistik-Chef gibt es viele Parallen zur Fliegerei

Viel Zeit verbringt Radenbach vor dem Computer. Kennzahlen auf dem Monitor zeigen ihm, ob alles läuft. Massen von E-Mails spülen Anfragen und Probleme auf den Schreibtisch, die er mit seinen Mitarbeitern löst. Mal gibt es Engpässe in der Produktion, mal fehlen Lagerkapazitäten oder Lkws fallen aus. Da heißt es Prioritäten setzen!

Die Parallelen zur Fliegerei liegen für den Logistiker auf der Hand: Es geht um Kommunikation und planvolles Handeln: „Auch als Pilot bin ich auf andere angewiesen – wie den Wetterdienst und die Flugsicherheit. Penible Datenkontrolle und Checks sorgen für einen sicheren und schönen Flug.“ Und wo liegt das Erfolgserlebnis im Job? „Wenn abends alles raus zum Kunden ist.“ Im Notfall setzt er sich in seine Sportmaschine, um Kunden irgendwo in Europa zu beliefern.

Zwölf Jahre lang hat er als staatlich geprüfter Landwirt den elterlichen Betrieb fortgeführt

Der Flug nach Barcelona bleibt ihm dabei in besonderer Erinnerung: Als die beiden Freunde abends landen, stehen sie mutterseelenallein auf dem Flugfeld, ohne Unterkunft und Abendessen. Radenbachs Kumpel ruft eine frische Internet-Bekanntschaft in Barcelona an, eine Studentin. Und man verabredet sich zu dritt für den Abend. Radenbach: „Heute sind die beiden glücklich verheiratet.“ Glück hat er auch selbst gehabt. Zwölf Jahre lang hatte Radenbach als staatlich geprüfter Landwirt den elterlichen Betrieb fortgeführt. Dann stand er vor der Alternative, anderthalb Millionen Euro zu investieren – oder aufzuhören. Er stellte alles auf den Prüfstand und entschloss sich zum radikalen Schnitt.

Radenbach entwickelte den unbändigen Willen, Dinge voranzubringen

Als Gabelstaplerfahrer begann er ganz von vorn bei Ejot. Schnell erkannte die Firma seine Fähigkeit, Arbeitsabläufe und Produktionsprozesse zu analysieren und zu verbessern. Zudem entwickelte er Durchsetzungsvermögen und den unbändigen Willen, Dinge voranzubringen. Radenbach führt das auf seine Erfahrungen als Pilot zurück: „Wenn dir einmal in der Luft ein Stück Propeller abgerissen ist und du innerhalb von Sekunden ohne Motor landen musst, dann kann dich nichts auf der Welt mehr erschüttern.“

Diese Erfahrung gibt er gerne an seine Flugschüler weiter, weil er „Freude an der Lernkurve von Menschen hat“. Er fliegt mit ihnen Loopings und Rollen. Und dann schaltet er wohlüberlegt hoch über den Wolken den Motor seines knallgelben Doppeldeckers aus.

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Ich bin von Haus aus Landwirt. Weil der Betrieb für mich keinen Sinn mehr machte, bin ich auf den Gabelstapler umgestiegen – und habe mich bei Ejot hochgearbeitet.

Worauf kommt es an?

Wichtig ist, über den eigenen Arbeitsbereich hinauszuschauen und in Prozessen zu denken. Und dann noch ein gutes Verhältnis zu den Kollegen zu haben.

Was reizt Sie am meisten?

Es ist diese Chance, etwas gestalten zu können.